Mittwoch, 30. Januar 2019

Die Wolkenfischerin - Claudia Winter

Die Wolkenfischerin
Roman
Autorin: Claudia Winter
Goldmann Verlag
Verlagsgruppe Random House
ISBN 978-3-442-48573-4
400 Seiten


Die Wolkenfischerin - Claudia Winter

Die Geschichte um Die Wolkenfischerin spielt teils in Berlin, teils in Paris und vor allem in Moguériec - in der Bretagne.

Der Titel hat für mich schon etwas verträumtes, etwas aus meiner Kindheit. Wolkenfischerin. Das klingt nach Möglichkeiten, nach Chancen, die kaum greifbar - aber vorhanden sind.

Schaue ich mir das Buchcover an, beginne ich von Urlaub zu träumen. Einer entrückten, abgelegenen Gegend, die die Nähe zu den Menschen im Ort möglich macht, ohne durch Nebensächlichkeiten abzulenken. Ein Traum!


Auf der Rückseite des Buches macht ein persönlicher Text der Autorin an ihre Leser neugierig auf den Inhalt. Sonst entdecke ich bei anderen Werken auf dem Buchrücken Empfehlungen anderer Autoren, Blogger oder Zeitungen. Eine Vorstellung des Buches der Autorin selbst mit der Bitte um Rückmeldung finde ich daher bei diesem Buch zum ersten Mal und ich freue mich über diese Einladung.

Personen und Inhalt


In gespannter Erwartung auf die beiden Schwestern und die Bretagne sitze ich im Ablauf der Geschichte zunächst im Zug. Im Zug nach Paris mit Maman und den beiden Schwestern Gwenaelle und Maelys.
Anfangs muss ich mich zurechtfinden. Eine für mich wohlklingende Aussprache der beiden Namen finden. Gwenaelle und Maelys. Außergewöhnliche Namen und dabei sehr hübsch.
Doch das Kapitel 1 nach diesem anschaulichen Epilog beginnt mit Claire. Claire Durant.

Claire Durant lebt in Berlin und arbeitet bei Genusto als Journalistin. Schaut man sich ihren Steckbrief und ihre Herkunft aus Paris an, fällt es leicht, positiv voreingenommen zu sein. Claire hat Jahre auf ihr Image hingearbeitet und will beruflich weiterkommen. Dabei steht ihr ausgerechnet ein Termin, den sie sich sehnlichst für sich herbeigewünscht hat, zum entsprechenden Zeitpunkt im Weg.


Meine Meinung


Auf den ersten rund 100 Seiten im Buch wechselt die Geschichte immer wieder zwischen dem Mädchen Gwenaelle und der jungen Dame Claire. Beide Erzählstränge sind äußerst liebevoll gestaltet. Und doch ertappe ich mich dabei, wie ich mir wünsche, das mit einem dieser beiden wundervollen Charaktere nun die Geschichte weiter erzählt wird. Ich möchte bei einer von ihnen bleiben. Warum? - Weil beide es so sehr verdient haben.

Wer - wie ich - äußerst ungeduldig ist, wird mit Nerven, angespannt wie Drahtseile, den Fortgang der Geschichte verfolgen. - Allerdings benötigt der Leser auch mein Durchhaltevermögen.
Wem beides gelingt, der wird mit einer wundervollen Geschichte belohnt.
Einer Geschichte, die witzig, charmant und äußerst kurzweilig erzählt wird. Charakteren, die so lebendig beschrieben sind, dass man meint, man trifft sie am nächsten Morgen, wenn man zur Türe hinausgeht. Und einem Ort, der es einem schwer macht zu gehen und zugleich schwer macht, zu bleiben.
Unsere Protagonistin wird derart liebevoll charakterisiert, dass ich ungläubig staune, dass sie durchaus auch ein wenig kratzbürstig sein kann. Kratzbürstig auf eine wiederum sehr charmante Art und Weise.
Jedenfalls ist der Erzählstil lebendig und auf eine bezaubernde Art und Weise greifbar.

"Was hast du damit vor?" Gelassen deutete er mit der Zigarette auf den Schneebesen in ihrer erhobenen Hand. "Willst du den einzigen Postboten von Moguériec damit in die ewigen Jagdgründe rühren?" - Seite 134

Mir gefällt der erfrischende Humor und der bretonisch-französische Akzent, mit dem zuweilen die Geschichte erzählt wird.

Und doch gibt es auch Momente unendlicher Traurigkeit darin. Momente, die mich zum Nachdenken anregen. Momente, die mich - trotz Ernsthaftigkeit - zum Lachen bringen.

"Madame Odile hat sich geirrt. Deine Schuhe passen mir. Ich kann bloß nicht darin laufen." - Seite 267

Schön herausgestellt sind auch allerlei bretonische Köstlichkeiten. Wer mag, findet am Ende des Buches die Rezepte dazu, um diese Leckereien selbst herzustellen.

Mir ist das eine ums andere Mal bereits während des Lesens das Wasser im Mund zusammengelaufen.

Fazit


Dieses Buch ist für alle, die sich gern dem Zauber der Bretagne ergeben wollen. Für Leser, die vielschichtige Charaktere mögen. Für alle, die es aushalten, beim Lesen über bretonische Köstlichkeiten zu lesen. Ich habe mich köstlich amüsiert und herzlich gelacht aber auch genauso das eine oder andere Mal mit den Charakteren mitgelitten.












Mittwoch, 16. Januar 2019

Zwei Theaterstücke - Martin Schörle

Zwei Theaterstücke
Autor: Martin Schörle
Engelsdorfer Verlag Leipzig
ISBN 978-3-96008-408-2
119 Seiten



Das Buch Zwei Theaterstücke von Martin Schörle beinhaltet - wie der Titel verspricht - zwei Theaterstücke: Einmal Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten und als zweites die Einladung zum Klassentreffen.

Für das erste der beiden Theaterstücke, Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten, stand der berufliche Alltag von Martin Schörle als Beamter Pate. Dabei hat er die Figur des Hans Fredenbek ins Leben gerufen. Hans Fredenbek erzählt dabei auf der Bühne über seinen Büroalltag und die Hürden, die es zu nehmen gilt. Dabei steht er regelmäßig zwischen Tragik und Komik, so dass ich gebannt "zuhöre" und auch schallend lachen muss, wenn Hans Fredenbek gar übertreibt. - Natürlich sieht er das nicht als Übertreibung. Das Theaterstück wird untermalt von gängigen Songs wie beispielsweise Je t´aime oder Highway to hell und geben damit den Stimmungen einen musikalischen Rahmen.

Der Schreibstil des Stückes entspricht ganz dem Stil eines Hans Fredenbek. Die Sätze mal etwas ungelenk, verschachtelt, in Aufzählungen, aber stets nachvollziehbar. Und am Ende schlüssig. Dabei zieht er die gesamte Gefühlsbandbreite bei seinen Erzählungen mit ein.
Sehr dienstbeflissen ist auch seine Meinung über Urlaub:

"Überall entspannte, urlaubsgebräunte, gut gelaunte Menschen. Ich bitte Sie, das ist doch nicht lebensnah!" - Seite 16

Auch mit Statistiken kennt Hans Fredenbek sich aus:

"Wussten Sie, dass 53% der Deutschen nicht wissen, wie man "Grießbrei" schreibt? Und - vorsichtig geschätzt - 99,9%, dass das deutsche Wort mit den meisten Konsonanten in Folge "Angstschweiß" ist?" - Seite 22

Nach Statistiken und Hochrechnungen gelangt Hans Fredenbek wieder zurück zur persönlichen Ebene und macht auch vor dem Chef und der Politik nicht Halt. Ein herrlich gelungenes Theaterstück.

Während Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten ein Ein-Mann-Stück ist, benötigt das zweite Theaterstück, Einladung zum Klassentreffen, mehrere Personen auf der Bühne.

Unsere Protagonisten sind Carsten Heymann und Marina Winkler sowie in einer Nebenrolle Marinas Exmann Holger Grahlmann.

In diesem Stück bekommt Marina unerwartet einen Anruf von Carsten. Die beiden haben sich 20 Jahre nicht gesehen und nicht gehört. Doch nun steht ein Klassentreffen bevor und Carsten hat die ehrenvolle Aufgabe übernommen, seine ehemaligen Klassenkameraden "zusammenzutrommeln".

Bei dem Telefonat zwischen Carsten und Marina flammt hin und wieder das altvertraute freundschaftliche, damals auch verliebte, Band wieder auf. Die Unterhaltung ist dabei so lebendig und lebensnah, dass ich mitfieber, wie es weitergeht. Ganz so, wie die Menschen im Zug, die das Gespräch auf Marinas Seite verfolgen und nicht vorhaben, auch nur eine einzige Silbe zu verpassen.

Die Unterhaltung verläuft im Plauderton, hat umgangssprachliche Züge und ist mit einer Art prickenden Humors versehen. Es macht Spaß dem Gespräch zu folgen und ich bin bis zum Schluss gespannt, wie es ausgeht.

Das Buch enthält zwei unterhaltsame Theaterstücke, wie sie das Leben schreibt oder zumindest schreiben könnte.
Bei der Lektüre des Buches habe ich oft gelacht und mich noch öfter amüsiert.

Hinweis: Wenn Sie, wie ich, das Buch in der Öffentlichkeit lesen, kann es passieren, dass Sie auf das Buch angesprochen werden, weil es Sie so gut unterhält und Sie sich so schön amüsieren. - Jedenfalls ist es mir so ergangen.

Fazit


Das Buch ist für jeden, der angenehm, lebensnah und höchst amüsant unterhalten werden möchte.






Donnerstag, 3. Januar 2019

Lesemomente im Januar 2019


Einen guten Start ins neue Jahr mit vielen neuen tollen spannenden Geschichten wünsche ich Euch.

Das neue Jahr hält wieder wunderbare Lesungen für uns bereit. Im Januar freue ich mich besonders auf die folgenden Autoren:

Am Donnerstag, dem 10. Januar 2019 wird Lorenz Stassen bei Leuenhagen und Paris in Hannover sein neues Buch Blutacker präsentieren. Blutacker ist der zweite Krimi um den jungen Anwalt Nicolas Meller und Nina Vonhoegen.

Lorenz Stassen und Cornelia Fett, Hannover 2018


Wer die beiden Protagonisten noch nicht kennt, sollte nicht zögern und sich den ersten Band Angstmörder besorgen. Neugierig auf das Buch hat mich - vor ungefähr einem Jahr - der Autor selbst gemacht: bei seiner Lesung bei Leuenhagen und Paris in Hannover. Wer mag, wirft einen Blick in meinen Artikel darüber. Ich freue mich schon auf diese Lesung, seitdem feststeht, dass er das Buch schreibt und wieder dort vorstellen wird.


Am Montag, dem 14. Januar 2019 dürfen wir uns auf Sven Stricker freuen. Die Lesung findet bei Leuenhagen und Paris in Hannover statt. Der Titel des Buches lautet Sörensen fängt Feuer. Dabei handelt es sich bereits um den zweiten Fall des angstgestörten Kommissars. Der erste Fall um Kriminalkommissar Sörensen wird derzeit als Miniserie verfilmt. Darin wird Bjarne Mädel nicht nur die Hauptrolle übernehmen sondern erstmals auch als Regisseur tätig sein. Bjarne Mädel wurde bekannt durch seine Rolle in Stromberg. Wo die Serie anschließend zu sehen sein wird, steht allerdings im Moment noch nicht fest. Die Neugierigen unter uns werden sich sicherlich nicht so lange gedulden und schon einmal den ersten Fall Sörensen hat Angst lesen. - Falls sie ihn nicht ohnehin bereits kennen.


Anne Jacobs wird am Donnerstag, dem 17. Januar 2019 zu Gast bei Leuenhagen und Paris sein und ebenfalls einen zweiten Band vorstellen: den zweiten Band ihrer Gutshaus-Saga. Im November 2017 erschien Band 1 Das Gutshaus - Glanzvolle Zeiten und nun am 10. Dezember 2018 Band 2 Das Gutshaus - Stürmische Zeiten. Ich bin gespannt, wie es auf Gut Dranitz weitergeht. Die Gutshaus-Saga ist auf insgesamt drei Bände ausgelegt.


Weiter geht es am Montag, dem 21. Januar 2019 im Schauspiel Hannover mit Takis Würger. Takis Würger ist in Hannover aufgewachsen, schreibt Romane für den Hanser Verlag und ist für den Spiegel als Redakteur tätig. Mit seinem Debütroman Der Club gelang ihm ein Bestseller. Der Club wird zurzeit verfilmt. Das Buch, das er am 21. Januar 2019 vorstellen wird, handelt von einer jungen Frau namens Stella. Stella ist Jüdin. Sie lebt in Berlin, es ist 1942. Die Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Das Buch erscheint am 14. Januar 2019. Ich bin sehr gespannt auf dieses Buch und sehr traurig, dass ich am 21. Januar 2019 nicht in Hannover bei der Lesung dabei sein kann.
Veranstaltet wird die Lesung von Leuenhagen und Paris, wo ihr auch die Karten für die Lesung bekommen könnt.

Es wird aber nicht die einzige Lesung sein, die Takis Würger hält. Auf seiner Website sind die Daten der Lesungen aufgelistet. Wer mag, kann dort unter Angabe seiner E-Mail-Adresse bereits das erste Kapitel anfordern.


Arno Strobel schickt seinen Kommissar Max Bischoff in seinen nächsten Fall. Im Kopf des Mörders lautet der Begleittitel der aus drei Bänden bestehenden Mini-Serie. Dieser dritte Band trägt den Titel Toter Schrei. Wer die beiden vorangegangenen Bände kennt, weiß, dass man beim Lesen vor Spannung bald umkommen kann. Im Januar 2017 erschien Band 1 Tiefe Narbe, im Januar 2018  Band 2 Kalte Angst und nun erscheint am 23. Januar 2019 Band 3 Toter Schrei.
Nur einen Tag darauf, am Donnerstag, dem 24. Januar 2019, wird Arno Strobel zu Gast bei Leuenhagen und Paris in Hannover sein.
Und wer Arno Strobel kennt, weiß, dass seine Lesungen sehr kurzweilig und amüsant sind. Gern wäre ich auch wieder bei dieser Lesung dabei. Wer mag, wirft einen Blick in meinen Artikel über die Lesung aus Kalte Angst.


Ich hoffe, ich konnte euch mit meiner Auswahl für den einen oder anderen Titel oder für den Besuch einer oder mehrerer Lesungen begeistern. Gern erfahre ich auch, für welche Lesung ihr euch entschieden habt oder ob wir uns bei einer dieser Gelegenheiten sehen werden.



Dienstag, 1. Januar 2019

Gabriel Tallent - Mein Ein und Alles


Am 27. September 2018 stellte Gabriel Tallent seinen Debutroman Mein Ein und Alles in Hannover vor. Ende 2017 ist das Buch bereits in Amerika unter dem Titel My absolute Darling erschienen, einige wenige Tage vor der Lesung nun auch hier bei uns in Deutschland.
Die Lesung fand im Tintenturm in Hannover statt und wurde von Margarete von Schwarzkopf moderiert. Die Lesung des deutschen Parts übernahm Anna Thalbach, die auch Sprecherin des Hörbuchs ist.

Cornelia Fett und Gabriel Tallent, Tintenturm Hannover 2018

Mein Ein und Alles



In Mein Ein und Alles geht es um die obsessive Liebe eines Vaters zu seiner Tochter. Und diese  Tochter ist die Protagonistin dieser Geschichte: Turtle Alveston. Turtle Alveston - von ihrem Vater Martin auch Krümel genannt - ist 14 Jahre alt, als sie wahre Freundschaft kennenlernt. Zuvor wächst Julia, wie Turtle eigentlich heißt, eher in Abgeschiedenheit bei ihrem Vater, mitten in den nordkalifornischen Wäldern auf.
Martin glaubt, dass alles dem Untergang geweiht ist. Durch die globale Erwärmung verlieren die Nadelbäume all ihre Tannennadeln - und das ist für Martin dermaßen beunruhigend, dass er sich und seine Tochter von der gesamten Welt abkapseln möchte.
In der Schule distanziert Turtle sich von ihren Klassenkameraden. Einzig ihr Großvater steht ihr neben ihrem Vater noch zur Seite. Auf einem ihrer Streifzüge durch die Natur trifft Turtle auf Jacob, einem Jungen aus ihrer Schule. Dieser Junge weckt in ihr Zuneigung und Turtle entschließt sich, mit ihm in Kontakt zu treten. Turtle beginnt freundschaftliche Gefühle zu entwickeln und sich langsam aus der besitzergreifenden Liebe ihres Vaters zu lösen. Als Martin das registriert, versucht er mit allen Mitteln zu verhindern, dass Turtle sich von ihm und seiner Liebe befreit. Er wendet gleichsam Psychologie und Gewalt an.


Wie kam es zu der Geschichte?


Gabriel Tallent hatte bereits begonnen eine ganz andere Geschichte zu erzählen, als der Moment kam, an dem sich Turtle Alveston als Protagonistin herauskristallisierte. Das war so nicht geplant, doch Gabriel Tallent konnte und wollte daraufhin das Buch nicht weiterschreiben und Turtle allenfalls eine Nebenrolle zukommen lassen.
Etwas beunruhigt über den zeitlichen Rahmen, wenn er nunmehr beginnt, die Geschichte neu zu erzählen bzw. eine komplett neue Geschichte zu kreieren, sprach Gabriel Tallent mit seiner Mutter. Gabriel Tallent sprach offen über seine Sorge, dass - wenn er nun mit dem Buch neu begann - wieder fünf Jahre verlor, in denen er nicht studieren konnte. - Am Ende würde er arm sein. Doch seine Mutter sagte, wenn er dieses Buch tatsächlich schreiben wolle, die Geschichte erzählen müsse, dann sollte er unbedingt dieses Buch schreiben. Ansonsten würde er dies den Rest seines Lebens bitter bereuen.

Er ging das Risiko ein und so hat Gabriel Tallent 30 Stunden die Woche als Kellner gearbeitet - und 40 Stunden die Woche dafür aufgewandt, die Geschichte niederzuschreiben. Dabei lag er - mangels eines Schreibtisches - auf dem Boden, trank, bei gefühlten 100° C im Zimmer, kalten Kaffee gegen die Hitze. Eine Klimaanlage gab es in seiner Wohnung nicht. Ein Entwurf nach dem nächsten landete im Papierkorb. Er wollte die Hauptfigur, Turtle, wegen der er ja auch umdisponiert hatte um eben dieses neue Buch zu schreiben, so authentisch machen, wie es nur irgend möglich ist. Die Zeit ging ins Land. 2012 ist Gabriel Tallent mit seiner Frau nach Salt Lake City, Utah, gezogen und hat dort sein Buch Mein Ein und Alles fertiggeschrieben. Die Arbeiten an dem Roman haben somit ungefähr vier Jahre in Anspruch genommen.


In dem sich anschließenden Gespräch zwischen Margarete von Schwarzkopf, Gabriel Tallent und Anna Thalbach erfahren wir nach und nach mehr spannende und interessante Details.

Gabriel Tallent  ist bei Mendocino, Kalifornien aufgewachsen. Die Umgebung hat ihn geprägt. Dort ist die Küste, sind die Wälder, noch ungeschliffen und wild. Alles ist natürlich und unerschlossen. Doch erst als er Mendocino verlassen hat, ist ihm aufgefallen, was er damit zurücklassen musste. Das Meisterwerk The Seasons von James Thomson aus dem Jahre 1730 hat ihn bezüglich der Landschaftsbeschreibungen beeinflusst. Nun sind diese Landschaftsbeschreibungen in The Seasons auf Schottland gerichtet. Doch Gabriel Tallent nutzt dieses Wissen, um eben seine Landschaft, die um Mendocino, zu beschreiben und somit für den Leser zu veranschaulichen, greifbar zu machen.

Auf Margaretes Nachfrage, ob Anna Thalbach denn auch so eine spürbare Prägung während ihrer Kindheit oder Jugend erfahren durfte, entgegnet sie, sie sei ein City-Girl. Ein Stadtmädchen.
Anna Thalbach ist in der Stadt aufgewachsen. In Ost-Berlin geboren, aufgewachsen in West-Berlin. Und natürlich prägt der Ort, an dem man aufwächst, einen auch irgendwie.

Während der Lesung fällt mir auf, dass die Begebenheiten allesamt liebevoll und detailliert beschrieben sind. Es ist ein Genuss, den Worten zu lauschen.

Anna Thalbach lässt sich beim Lesen auf die Geschichte ein und erzeugt mit ihrer Stimme zusätzlich Spannung, die mich ein ums andere Mal den Atem anhalten lässt. Anna Thalbach hat auch das Hörbuch eingelesen. Zwischen Zartheit und Brutalität - so wie es in Mein Ein und Alles zu finden ist - zu wechseln, war für Anna Thalbach eine schöne Herausforderung, wie sie es selbst bezeichnet.

Anna Thalbach hat 125 Seiten am Tag eingelesen. 25 Seiten pro Stunde. Dabei muss sie sich gut vorbereiten, um die jeweilige Stimmung zu transportieren.

Im Gespräch zwischen Gabriel Tallent und Margarete von Schwarzkopf stellt sich heraus, dass der Charakter Martin durchaus auch Züge eines Long John Silver, den wir aus Die Schatzinsel kennen, aufweist.

Die Geschichte um Die Schatzinsel hat Gabriel Tallent ebenso geprägt. Er hat das Buch seinerzeit auf seinen täglichen Fahrten gelesen und hält sie für bereichernd fürs Leben und im Umgang mit Menschen.

Psychopathen können sehr sympathisch sein; charmant und liebevoll.
Der Charakter Martin ist sehr facettenreich. Martin ist sehr belesen und legt Wert auf Bildung, dennoch engt er Turtle mit seiner Liebe ein. Turtle will natürlich die Liebe und die Aufmerksamkeit ihres Vaters, sie ist geradezu abhängig davon. Und Turtle hofft, dass Martin dies erkennt und weiß und danach handelt, dass er sie liebevoll behandeln wird. Martin ist als Vater übermächtig und Turtle weiß in ihrer Unschuld und Menschenwürde nicht, wie sie ihm entgegentreten soll.

"Du und ich", sagt Turtle, "gegen den Rest der Welt." - Seite 128

Dann tritt Jacob in Turtles Leben. Er bewundert Turtle. Sie kann alles. Sie findet sich zurecht und kommt in der Wildnis klar. Ganz allein kann sie dort leben und überleben. Turtle ist im Umgang mit Waffen geübt, kann zur Nahrungsbeschaffung Tiere fangen und zubereiten, kennt sich mit den heimischen Pflanzen aus.

Turtle kennt sich immens gut mit Waffen aus. Sie reinigt die Schusswaffen selbst und weiß, wie sie beim Abfeuern reagieren. Welche Munition sich für welches Ziel am besten eignet. Wie der Verlauf der Munition beim Abfeuern bis zum Eintreffen sein wird. Sie kann es berechnen.

Margarete fragt bei Gabriel Tallent nach, wie seine Recherche dazu ausgesehen hat. Die meisten Waffen hat sich Gabriel Tallent tatsächlich selbst besorgt und genauestens studiert. Sonst könnte er nie die Funktionsweise derart detailliert beschreiben.

Die Essenz der Geschichte in Mein Ein und Alles ist eine moralische:

Gabriel Tallent will denen eine Stimme geben, die meinen, keine Stimme mehr zu haben. Die meinen, niemand will ihr Schicksal kennen, da sie ja selbst schuld seien. Denen, die meinen, sie seien nicht gleichberechtigt.


In den Wochen vor der Lesung waren in den USA Stimmen gegen Brett Kavanaugh laut geworden. Brett Kavanaugh wurde seitens Trump als Oberster Richter vorgeschlagen. Bislang haben vier Frauen ihn des Missbrauchs beschuldigt, erzählt Gabriel Tallent.

Das Amt des Obersten Richters ist ein lebenslanger Sitz am Obersten Gericht der USA. Dort werden die Weichen in den wichtigsten gesellschaftlichen Fragen gestellt.
Aus den Nachrichten konnten wir erfahren, dass es sich bei dem ersten Opfer, das sich meldete, um Prof. Christine Blasey Ford handelt. Sie stellte sich der Öffentlichkeit und machte ihre Aussage. Unter dem Hashtag #whyididntreport erhielt sie bei Twitter zahlreichen Zuspruch. Trump jedoch verhöhnte Ford nach ihrer Aussage.

Gabriel Tallent fragt sich, wie viel Gewicht haben diese Stimmen der Opfer?

Letztlich hat Trump eine kurze FBI-Untersuchung angestrengt, die zeitnah abgeschlossen werden musste und auch wurde. Kavanaugh wurde mittlerweile vereidigt und befindet sich seit Oktober 2018 im Amt des Obersten Richters.
Von Prof. Christine Blasey Ford habe ich den Nachrichten nichts mehr entnehmen können.

Wenn ich die beiden Kernaussagen Trumps bezüglich Männer und Frauen lese, befürchte ich beinah, dass wir bald wieder um das Frauenwahlrecht kämpfen müssen.


"Es ist eine beängstigende Zeit für junge Männer in Amerika", sagte Trump laut Medienberichten. Er finde es beunruhigend, dass Menschen "automatisch für schuldig" gehalten würden und ihre Unschuld beweisen müssten, sagte Trump.

Auf die Frage nach einer Botschaft an junge Frauen sagte der Präsident: "Frauen geht es sehr gut." 


In dem neuen Roman von Gabriel Tallent wird es um zwei Kletterer in der Wüste von Südwestamerika in Utah gehen. Auch hier wird die Recherche-Arbeit wieder ganz groß geschrieben. Wir können uns somit auf ein Buch mit vielen detailgetreuen Einzelheiten freuen.

Anna Thalbach ist derzeit in dem Theaterstück Die Glasmenagerie von Tennessee Williams zu sehen. Das Stück wird in verschiedenen Städten zu sehen sein. Neben Anna Thalbach sind auch Katharina und Nellie Thalbach auf der Bühne. Am Montag, dem 11. März 2019 beispielsweise im Theater in Nienburg.


Neben dem Buch ist nun auch das Hörbuch bei mir eingezogen. Ich konnte nicht widerstehen, mir die Geschichte über Turtle von Anna Thalbach erzählen zu lassen. Sie liest wirklich großartig.


Quelle:
Tagesschau - Fall Kavanaugh
Theater Nienburg Veranstaltungen