Montag, 30. September 2019

Melmoth - Sarah Perry


Melmoth
Roman
Eichborn Verlag
in der Bastei Lübbe AG
Autorin: Sarah Perry
ISBN 978-3-8479-0664-3
336 Seiten



Inhalt und Personen


Sarah Perry hat sich einen der besten englischsprachigen Werke der schwarzen Romantik vorgenommen: Melmoth the Wanderer von Charles Robert Maturin.
In ihrer Adaption ist Melmoth eine Frauengestalt, die sich sozusagen an die Fersen derjenigen zu heften scheint, die durch eine vermeintlich schlimme Tat ein schlechtes Gewissen hegen.




Protagonistin - neben Melmoth - ist in diesem Roman Helen Franklin. Helen Franklin ist 42 Jahre alt, als Übersetzerin tätig, und lebt, als hätte sie ihr Leben bereits verwirkt. Sie gönnt sich keine Freude, kein Wohlbefinden. Einzig ihre Freunde Karel und Thea bringen gelegentlich Abwechslung in ihr Leben. Helens Leben ändert sich, als sie Karels jüngst geerbtes Manuskript zum Lesen erhält. Immer wieder fragt sich Helen, wieviel Wahrheit in diesen Aufzeichnungen steckt und immer mehr spürt sie die Last ihrer Vergangenheit.


Meine Meinung


Mit Melmoth erlebt für mich der englische Schauerroman ein Comeback. Angelehnt an die 1820 erschienene Geschichte Melmoth the Wanderer erzählt Melmoth die Geschichte einer Frau, einer einsamen Zeugin der Greueltaten dieser Welt. Während Melmoth the Wanderer um seinen Wissensdurst zu stillen einen Pakt mit dem Teufel schloss auf der Welt umherwandert um jemanden zu suchen, der seinen Platz einnimmt und schließlich seine Seele rettet, sucht die Melmoth aus Sarah Perrys Geschichte eine Begleitung auf ihrer einsamen Wanderung.

Sarah Perry spielt in Melmoth mit den Gewissensbissen, dem schlechten Gewissen, mit dem der Mensch sich im Laufe der Jahre meist seit Kindheitstagen oder früher Jugend plagt.
Kleine wie große Sünden werden thematisiert und im Laufe der Geschichte durch das Manuskript, das Helen zu lesen erhält, verdeutlicht und bildhaft dargestellt. Melmoth regt dazu an, sich mit seinem eigenen Gewissen auseinanderzusetzen. Was ist wahr? Was vielleicht im Laufe der Zeit übertrieben oder verblasst? Melmoth regt außerdem dazu an, genauer hinzusehen. Selbst Zeuge zu werden und zu handeln.

"Aber Helen lässt sich nicht täuschen, hat sie nie - die böhmischen Genüsse sind nichts für sie. Nie stand sie vor dem Glockenspiel der Astronomischen Uhr, deren Erbauer man die Augen ausstach, damit er der Stadt keine Schande machen und anderswo eine noch bessere Uhr bauen konnte; sie hat auch noch nie Geld für eine Matrjoschka im Scharlachrot der englischen Fußballnationalmannschaft ausgegeben oder in aller Ruhe den Sonnenuntergang über der Moldau bewundert. Sie ist hier im Exil, denn sie hat sich eines Verbrechens schuldig gemacht, für das es, wie sie fürchtet, keine angemessene Wiedergutmachung gibt; und jetzt verbüßt sie bereitwillig ihre lebenslange Strafe, die sie sich als ihre eigene Anklägerin und Richterin auferlegt hat." - Seite 15


Die Geschichte um Melmoth ist intelligent und unterhaltsam erzählt. Die Ursache des Schreckens - der Darstellung der eigenen Schuld - ist bildlich dargestellt, lässt aber über Melmoth die notwendige Distanz spüren.

"Doch Alice wich und wankte nicht und sagte, es sei besser, die Flammen für wenige Stunden zu ertragen als bis in alle Ewigkeit." - Seite 113

Sarah Perry arbeitet in dem Buch mit zum Teil langen und aufzählungsreichen Sätzen. Diese lese ich mit Bedacht, um nichts zu verpassen. Die Geschichte an sich ist flüssig erzählt, auch wenn es zu einem - angekündigten - Wechsel des Ortes und der Personen kommt.

Melmoth ist eine fiktive Geschichte, die gut recherchiert auf geschichtliche Details verweist. Das macht das Buch für mich sehr spannend. Unterhaltsam werde ich immer wieder auf neue Begebenheiten verwiesen, die teils in gut ausgearbeiteten Fußnoten erklärt werden. Melmoth lässt sich aber auch als spannender Unterhaltungsroman lesen, ohne auf diese Details näher eingehen zu müssen. Und doch ist Melmoth keine leichte Kost.

Mir imponiert der Wechsel zwischen dem Verständnis tiefer Empfindungen und dem Versuch der Charaktere, darüber erhaben hinwegzugehen. Ein wahrer Drahtseilakt auch für meine Empfindung beim Lesen.


Fazit


Ein Buch für alle, die sich mit ihrem Gewissen und dem Wissen darum auseinandersetzen. Dazu ein unterhaltsamer und zudem informativer und gut recherchierter Schauerroman.









Montag, 23. September 2019

Novum auf der Frankfurter Buchmesse 2019 - der Deutsche Verlagspreis


Am 18. Oktober 2019 wird auf der Frankfurter Buchmesse erstmalig ein ganz besonderer Preis verliehen: der Deutsche Verlagspreis.

312 Verlage aus ganz Deutschland haben sich um diese Auszeichnung beworben. Davon dürfen sich 66 Verlage über die Auszeichnung freuen. Verliehen wird der Preis von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die den Deutschen Verlagspreis im vergangenen Jahr ins Leben rief.

Die 66 Verlage sind bereits über die Auszeichnung informiert. Drei Verlage erhalten ein undotiertes Gütesiegel, die drei besten Verlage erhalten jeweils eine Prämie in Höhe von 60.000,00 € und das Gütesiegel, die weiteren 60 Verlage erhalten neben dem Gütesiegel eine Prämie in Höhe von 15.000,00 €.

Wer die drei besten Verlage sind, wird allerdings erst bei der Verleihung am 18. Oktober 2019 bekannt gegeben. Für 63 Verlage wird es dann noch einmal richtig spannend. Die Preisträger der undotierten Gütesiegel wurden bereits bekannt gegeben. Dabei handelt es sich um den Reclam  Verlag, den Schwaneberger Verlag und die Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Wie sahen die Kriterien der Bewerber aus? Entscheidend war vor allem das Verlagsprogramm, kulturelles Engagement, die Umsetzung innovativer Projekte sowie eine besonders hohe Qualität in der verlegerischen Arbeit.

Besonders spannend für mich ist, dass einer der Preisträger der Verlag zu Klampen! ist, von dem ich erst einige Tage zuvor ein Buch erworben hatte. Ein Buch, das seit geraumer Zeit auf meiner Wunschliste stand: Der Traum vom Weltreich. Geschichte und Geschichten zur Personalunion Hannover - England 1714 bis 1837 von Margarete von Schwarzkopf. Ebendiese hat mich während ihrer Premierenlesung zu ihrem neuen Krimi am 23. September 2019 auf diesen tollen Preis aufmerksam gemacht.

Ich finde es toll, dass kleine und unabhängige Verlage mit dem Gütesiegel und der Prämie in ihrem Schaffen unterstützt werden.

Sonntag, 22. September 2019

Die einzige Zeugin - Tove Alsterdal


Die einzige Zeugin
Kriminalroman
Bastei Lübbe Verlag
Autor: Tove Alsterdal
ISBN 978-3-404-17885-8
512 Seiten



Inhalt und Personen


Die psychiatrische Anstalt Beckomberga wurde vor Jahren geschlossen. Dort ist jüngst ein Wohngebiet entstanden. Einfamilienhäuser in Waldrandnähe locken neue Hausbesitzer an.

Unter den neuen Hausbesitzern befindet sich Svante Levander mit seiner jungen Freundin Jannike. Sie sind noch dabei, sich häuslich einzurichten, als Svante bei einem abendlichen Gang vom Supermarkt nach Hause ermordet wird.




Svantes Ex-Frau Eva Levander-Olofsson war zur Tatzeit bei ihm und hat später die Polizei verständigt. Die Indizien sprechen dafür, dass Eva die Tat begangen hat. Die einzige Zeugin, eine Bettlerin, mit der Eva vor der Tat noch gesprochen hat, ist verschwunden.

Eva will zunächst ihren Sohn Filip sprechen und ihn überzeugen, dass sie die Tat nicht begangen habe, doch das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn steht nicht zum Besten.

Zur selben Zeit findet Svantes Nachbar Niklas im Zimmer seines Sohnes einen Gegenstand, der darauf schließen lässt, dass der Mord an Svante womöglich nicht der einzige in dieser Gegend war.



Meine Meinung


Die Geschichte rund um Beckomberga ist spannend erzählt. Leider verliert sich die Autorin Tove Alsterdal in zu vielen Details vor allem rund um die Flüchtlinge aus Rumänien. Beim Lesen gewann ich den Eindruck, sie müsste alles, was sie dazu recherchiert hat, nicht nur für eigene Aufzeichnungen und ihr Hintergrundwissen festhalten, sondern auch dem Leser mit auf den Weg geben.
Da es sich zum überwiegenden Teil um für mich mit dem Fall an sich nicht relevanten Informationen handelte, fiel es mir immer schwerer, der Geschichte zu folgen. Als Leser benötigte ich daher auf rund 150 Seiten im Mittelteil einen langen Atem, um der Geschichte dennoch weiter zu folgen.
Dann nimmt die Geschichte aber wieder an Fahrt auf. Es wird ermittelt, gerätselt, gegrübelt und Literaturstellen werden nachgeschlagen. Und dann war ich auch wieder mitten im Geschehen.

In verschiedenen Erzählsträngen erfahre ich mal etwas über die ehemalige Psychiatrie, mal etwas über Evas und Svantes gemeinsame Zeit, etwas über eine scheinbar verwirrte Person, und die neue Wohngemeinschaft Beckombergas. Die polizeilichen Ermittlungen sind hingegen in diesem Kriminalroman nur am Rande erwähnt und machen die Geschichte nicht aus.

Für mich war der Roman zu überladen an Informationen, um der Geschichte genügend Raum zu lassen, Der Stil war mal anders und interessant zu lesen, reicht aber an ermittlungsreicher und spannungsgeladener Literatur nicht heran. Es liest sich eher wie eine Aneinanderreihung Tove Alsterdals Recherchearbeit zu einem Krimi, der spannend hätte erzählt werden können.


Fazit


Wer bei einem Kriminalroman nicht unbedingt auf Ermittlungsarbeit Wert legt und Hintergrundinformationen zur Flüchtlingsproblematik in Schweden wertschätzt, ist mit diesem Roman gut beraten.





Sonntag, 8. September 2019

Apfelträume am Meer - Anne Barns


Apfelträume am Meer
Kurzroman
MIRA Taschenbuch
Harper Collins Verlag
Autorin: Anne Barns
eBook
ISBN 978-3-745750148
56 Seiten





Merle
ist von München auf die Insel Juist gezogen und leitet dort gemeinsam mit ihrer Freundin Conny ein Café. Unterstützt wird Merle von ihrer Oma Enna und ihrer Freundin Agata, die sich um die neben dem Café befindliche Pension kümmert.

"Was meinst du, Merle? Ob er vielleicht Probleme hat? Du weißt schon mit was." Sie sieht zu meiner Oma. "Entschuldigung, Frau Tamena … Enna." Oma grinst breit. "Das scheint ein interessanter Abend zu werden." - Seite 20






Merles Herz hingegen gehört Jannes, der nach einem kurzen Streit plötzlich von der Bildfläche verschwindet. Nicht einmal die letzte Nachricht von Merle hat er auf seinem Handy aufgerufen - geschweige denn darauf geantwortet. Und dann reist ihm auch noch sein Bruder Ole hinterher und Agatas Freund sagt seine Verabredung mit Agata ab.


Meine Meinung


Eine bezaubernde Urlaubskulisse, vielschichtige Charaktere und aus dem Leben gegriffene Herausforderungen machen diesen Kurzroman zu einem idealen Begleiter, um jetzt im Sommer einmal dem eigenen Alltag zu entfliehen. Der Schreibstil ist leicht und beschwingt und trägt mich mit Witz und Humor durch das Geschehen. Dabei kommt es zwischen den Charakteren auch zu spannenden Momenten, in denen ich Daumen drücke und überlege, was denn nun passiert sein könnte. Doch lange werde ich bei diesem fröhlichen Kurzroman nicht auf die Folter gespannt.

Als Bonus befinden sich am Ende des Kurzromans dann auch noch die Rezepte zu den in der Geschichte erwähnten Köstlichkeiten: Oma Ennas Johannisbeer-Sirup und Oma Ennas bestes Waffelrezept.


Zur Autorin


Unter dem Pseudonym Anne Barns schickt Andrea Russo ihre Charaktere und damit auch den Leser auf die Insel und verwöhnt daneben mit kulinarischen Köstlichkeiten. Zum Abschluss eines jeden Romans darf sich der Leser dann noch auf die Rezepte freuen, die am Ende des Buches mit abgedruckt sind.
Andrea Russo verknüpft damit ihre Leidenschaft für leckere Gaumenfreuden, Reisen ans Meer und für uns zu Schreiben.
Ihr neuer Roman heißt Bratapfel am Meer und wird im Herbst 2019 erscheinen.


Fazit


Genau das richtige Buch um bei einer kleinen Pause entspannt den Sommer zu genießen und sich ans Meer zu träumen.


Sonntag, 1. September 2019

Swimmingpool - Mord unter Stars - Luc Winger


Swimmingpool - Mord unter Stars
Ein Saint-Tropez-Krimi
BoD - Books on Demand
Autor: Luc Winger
ISBN 978-3-74482174-2
316 Seiten
erschienen am 26. Juni 2019



Inhalt und Personen


Swimmingpool - Mord unter Stars heißt dieser Krimi, der im August 1968 im schönen Saint Tropez spielt. Die Protagonisten lerne ich zuvor auf den ersten Seiten im Kindesalter kennen - eine jeweils kurze, aber bedeutende Episode, die an beiden nicht spurlos vorbei geht.

Erst dann gelangen wir in das Jahr 1968 und lernen Aurélie und Serge als junges Paar in ihrem Urlaub in Saint Tropez kennen. Über die Liebe zum Film haben sie sich bei einer zufälligen Begegnung kennengelernt und sind nun mit Freunden zum Campen gefahren.

Ganz besonders angetan ist Serge, als er erfährt, dass in Saint Tropez gerade ein Film gedreht wird und er eventuell die Möglichkeit erhält, beim Dreh dabei sein zu können. Der Film heißt La Piscine und niemand geringeres als Alain Delon und Romy Schneider sind die Hauptdarsteller. Serge will später unbedingt in der Filmbranche tätig sein und selbst Schauspieler werden, dass die Maskenbildnerin, die ihn mit an das Set nehmen will, auch noch überaus hübsch ist, sieht Aurélie mit gemischten Gefühlen.

Als dann am Set ein Mord geschieht, erscheinen die Prioritäten in einem ganz anderen Licht.


Meine Meinung


Der Schreibstil ist ebenso erfrischend, wie das Cover und der Buchtitel. Trotzdem zunächst die einschneidenden Ereignisse aus der Kindheit geschildert werden, bekomme ich einige Seiten später einen Einblick ins Urlaubsparadies Saint Tropez. Mit ihrer Fröhlichkeit und Energie reißen mich die Protagonisten Serge und Aurélie förmlich mit. Fasziniert vom Geschehen mag ich das Buch bald nicht mehr aus der Hand legen. Neugierig verfolge ich das bunte Treiben am Strand und später die Aufregung am Set. Der Autor Luc Winger deutet hier geschickt die Möglichkeiten an, nur um sie später durch mich in Zweifel ziehen lassen zu können. Dabei bedient er sich bei der Aufklärung des Mordfalls einer taffen, Gitanes qualmenden Madame la Commissaire, die bei mir schnell an Sympathie gewinnt.

Auch die anderen Charaktere sind bildhaft beschrieben und haben hohen Wiedererkennungswert, so dass ich sie schnell zuordnen kann. Das macht die Geschichte zu einem lebendigen Leseerlebnis.


Fazit


Gute Unterhaltung mit einem Krimi, der raffiniert an den gleichnamigen Film angeknüpft ist.