Samstag, 28. Januar 2023

Th1rt3en - Thirteen - Steve Cavanagh


Th1rt3en
Thirteen 
Thriller
Goldmann Verlag
Autor: Steve Cavanagh
Erscheinungsjahr: 2018
Deutsche Erstveröffentlichung: Januar 2022
ISBN 978-3-442-49215-2
542 Seiten






Thirteen ist der erste Thriller um Strafverteidiger Eddie Flynn, der in deutscher Übersetzung erschienen ist. Tatsächlich handelt es sich bei Thirteen aber bereits um Band vier der Reihe. 





Trotzdem konnte ich mich ausgezeichnet im Geschehen zurechtfinden und den Protagonisten kennen- und seinen Humor schätzen lernen. Und, oh! Ich habe ihn gefeiert. Den Humor, genauso wie den Protagonisten Eddie Flynn.

Eddie Flynn ist ein ganz normaler Strafverteidiger in New York. Seine Laufbahn als Strafverteidiger fing eher etwas holprig an und ich würde sagen, das Studium, das er vor seinem Jura-Studium auf den Straßen erfahren durfte, hilft ihm bei seiner Arbeit als Strafverteidiger ungemein. 

Neben Eddie Flynn gibt es weitere Charaktere, die ihre Ecken und Kanten haben. Es ist für mich spannend zu verfolgen, wie sie an ihre Grenzen stoßen, wie sie diese Grenzen belasten und ausdehnen. Nicht jeder handelt klug, nicht jeder kommt in seinem Leben weiter. Es gibt große, lebensverändernde Gedanken und ganz kleine, schemenhafte. Sie alle bekommen ihren Raum. 

Steve Cavanagh schreibt bildhaft, mit großer Aufmerksam und mit Blick fürs Detail - ohne sich darin zu verlieren. Das gefällt mir. Ich mag den Blick aufs Wesentliche und die schemenhafte Darstellung des Umfelds. Ich bekomme eine Ahnung, einen verhüllten Blick auf das Geschehen. Bis mich das tatsächliche Geschehen umhaut. 


"Es ist Amerikas spektakulärster Mordfall. Doch der Killer steht nicht  vor Gericht. Er sitzt in der Jury ...." - Klappentext


Mit diesem Auszug aus dem Klappentext hatte mich Steve Cavanagh gleich gefangen und auf den ersten 40 Seiten erfahre ich, wie dem Täter dieser Geniestreich gelingen soll. 


"Der größte Trick, den der Teufel je gebracht hat, war, die Welt glauben zu lassen, es gäbe ihn gar nicht. - Zitat Verbal Kint - aus Christopher McQuarries Drehbuch zu dem Film Die üblichen Verdächtigen


Der Erzählstil der Geschichte ist genauso außergewöhnlich wie die Story an sich. Ich begleite den Strafverteidiger Eddie Flynn und ich begleite den Täter. Ich weiß, wie er heißt. Er ist ein Spieler. Er bescheisst sich selbst. Er ist ein Monster. Er überlässt nichts dem Zufall. Er kokettiert mit sich selbst. Obwohl ich ihm so nahe komme, weiß ich doch nie, wer er nun wirklich ist. Ich kann nur hoffen, dass jene, die ich nach und nach ins Herz schließe, verschont bleiben werden. 

Thirteen zu lesen hat mir unendlich viel Freude bereitet. Mir gefällt der Schreibstil, die Ausdrucksweise, die Art von Humor. Spitzfindigkeiten, die ausgetragen werden, polizeitechnische Ermittlungsarbeit und allerlei Wissenswertes zur Beseitigung von Spuren beim Tathergang und deren Folgen. All das ist spannend und kurzweilig in die Geschichte verwoben und unterstreicht die Dringlichkeit, den Täter zu entlarven und zu fassen. 


Fazit

Th1rt3en ist für alle, die spannende und zugleich überraschende Thriller mögen, die schlüssig und mit der richtigen Prise Humor geschrieben sind. 


Bonus

Reihenfolge der Serie um Eddie Flynn:

0.5 The Cross - bislang nicht in deutscher Übersetzung

Band 1 : Zu wenig Zeit zum Sterben (The Defence) - ET 18. Januar 2023

Band 2 : Gegen alle Regeln (The Plea) - ET 22. März 2023

Band 3 : Liar (The Liar) - ET 17. Mai 2023

Band 4 : Th1rt3en (Th1rt3en) - ET 10. Januar 2022

Band 5 : Fifty-Fifty (Fifty-Fifty) - ET 30. November 2022

Band 6 : The Devils Advocate - bisher nicht in deutscher Übersetzung

Band 7 : The Accomplice - bisher nicht in deutscher Übersetzung 


Sonntag, 22. Januar 2023

Ausweglos - Henri Faber


Ausweglos
Thriller
dtv 
Autor: Henri Faber
ISBN 978-3-423-21977-8
496 Seiten






Ausweglos ist das Thriller-Debüt von Henri Faber. Ein Thriller, der mich auf 496 Seiten sehr gut unterhalten und zum miträtseln und mitermitteln ermuntert hat. 





Die Geschichte wird mittels Perspektivwechsel in knapp gehaltenen Kapiteln erzählt. Mit Noah und Linda Kaufmann erlebe ich zwei Charaktere, deren Beziehung unter dem Mord an ihrer Nachbarin sprichwörtlich zugrunde geht, mit Elias Blom, dem Ermittler, begebe ich mich auf die Suche nach dem Täter und schlussendlich führt mir der Täter immer mal wieder vor Augen, wie unzulänglich die Ermittlungen laufen und wie schlau er ist. Wer allerdings der Täter ist, bleibt mir als Leserin genauso verborgen wie dem Ermittlerteam.


"Und warum fällt es mir so schwer, mich zu erinnern? Ich möchte einfach in meinen Kopf hineingreifen, die Erinnerung herausreißen und vor mir ausbreiten wie eine Karte." - Seite 179


Alle vier Perspektiven bieten genügend Stoff die eigene Empathie gehörig auszustrecken und zu überlegen, welche Beweggründe und welche Ziele die einzelnen Personen haben könnten. Immer wieder werde ich beim Lesen mit Informationen angefüttert - nur um nach einem Perspektivwechsel einem der anderen Charaktere meine Aufmerksam widmen zu müssen. 

Der bildhafte und humorvolle Schreibstil lockert das Geschehen stellenweise auf und ich bin dankbar für diese kurzen Entspannungsmomente, bevor mich der nächste Cliffhanger wieder ungeduldig einen geräuschvollen Luftstoß ausatmen lässt. 


"Schnack lacht viel, Steigers Laune sinkt rapide. Zwei Stockwerke tiefer passt sich die Umgebung seiner Laune an." - Seite 237


Fazit

Ausweglos ist für alle, die temporeiche Thriller mit Szenenwechsel und Überraschungsmomenten lieben.


Freitag, 20. Januar 2023

Ginsterhöhe - Anna-Maria Caspari

 

Ginsterhöhe
Historischer Roman
Ullstein Paperback
Autorin: Anna-Maria Caspari
ISBN 978-3-864932021
400 Seiten
Erscheinungstag: 29. Dezember 2022





Ginsterhöhe erzählt die Geschichte des Ortes Wollseifen in der Eifel. Die Geschichte ist in drei geschichtliche Abschnitte unterteilt. Im ersten Teil lerne ich den Ort in der Zeit von 1919-1928 und ihre Anwohner kennen. Teil 2 erzählt aus den Jahren 1930 bis 1939 und Teil 3 macht den Abschluss bis zum Jahr 1949.





Albert Lintermann kehrt 1919 von der Front zurück. Einst war er ein außerordentlich hübscher Mann. Jetzt ist er mit dem Leben zwar davongekommen - im Gegensatz zu seinem Freund - doch sein Gesicht ist stark entstellt. Als hätte er psychisch und physisch nicht schon genug unter dem Krieg gelitten, macht seine Frau Bertha ihm die Rückkehr auch nicht leicht. Bertha leidet entsetzlich unter den Verletzungen, die Albert zur Schau trägt. 

Anna-Maria Caspari erzählt die Geschichte des Ortes Wollseifen sehr ruhig und mit Bedacht. Die Geschichte des Ortes ist bittere Realität. Die Charaktere jedoch sind frei erfunden. Und trotzdem könnte sich das Leben so oder so ähnlich in der Zeit von 1919 bis 1949 genau so abgespielt haben. 

Ich erfahre, wie der Alltag auf einem Bauerngut ist. Wie das Zusammenleben stattfindet, wer auf dem Hof hilft und warum und erfahre mehr über den Zusammenhalt im Dorf. Bis die Nationalsozialisten nach Wollseifen gelangen, geht es nachbarschaftlich relativ ruhig zu. Mit dem Einzug der Truppen und dem Aufbau von Vogelsang wird das Zusammenleben immer mehr auf eine harte Probe gestellt. Bis die Söhne in den nächsten Krieg ziehen. 

Vom Kriegsgeschehen an sich bekomme ich als Leserin nur aus der Ferne etwas mit. Das Leiden an der Front ist für mich weit weg. Die Not aber vor Ort in Wollseifen und die Unsicherheit der Anwohner ist spürbar. Die Generation um Albert Lintermann lässt sich jedoch nicht beirren und versucht trotz der harten Zeiten den Ort voranzubringen und durchzuhalten, bis die Söhne aus dem Krieg hoffentlich unversehrt zurückkehren. 

Durch die Einteilung der Geschichte in drei historische Abschnitte lässt sich das Geschehen gut nachvollziehen. Manches Mal überrascht Anna-Maria Caspari mit einem Szenenwechsel mitten im Kapitel. Doch aufgrund der Unverwechselbarkeit der Charaktere finde ich mich nach dem Überraschungsmoment schnell wieder ein. Zwischen den Kapiteln gibt es immer mal wieder Aufzeichnungen des Lehrers Martin Faßbender, der - so gut es möglich ist - Tagebuchaufzeichnungen über das Dorfgeschehen einfließen lässt. So bin ich rundum mit Informationen aus Wollseifen versorgt. 

Anna-Maria Caspari erzählt das Alltagsgeschehen in Wollseifen sehr bildhaft und farbenfroh.


"Karl hatte von den Nudeln nicht genug kriegen können, und schließlich hatte der ganze kleine Kerl so ausgesehen, als ob er in die Schüssel mit der Tomatensoße gefallen wäre, so gut hatte es ihm geschmeckt." - Seite 55


Vielleicht kommt allein schon deshalb der Krieg - der an weit entfernten Schauplätzen stattfindet - nicht an mich heran. 

Was allerdings an mich herankommt ist die Beziehung der Anwohner von Wollseifen zu ihrem Land, zu ihrer Heimat und zu ihrem Zuhause. Vieles ist von Hand errichtet - und mit viel Liebe zum Detail. Die Personen haben einen festen Bezug zu ihrem Land und zu ihrer Unterkunft. Genau dieses Gefühl macht Ginsterhöhe zu einem Buch, das ich auch jetzt, während ich diese Rezension schreibe, immer wieder gern zur Hand nehme. 


Fazit

Ginsterhöhe ist für alle, die historische Romane mit tatsächlichem Bezug und natürlichen, fiktiven Charakteren mögen. 


Bonus

Wie war das Leben genau in Wollseifen? Ein Artikel in der taz vom 14. August 2008 lässt Fritz Sistig zu Wort kommen. Fritz Sistig kann sich noch genau daran erinnern, was er gefühlt hat, als er seiner Heimat den Rücken kehren musste. Dabei war er damals erst 17 Jahre alt gewesen.

Anna-Maria Caspari hat sich selbst auf diese Spuren begeben und lässt Ginsterhöhe mit den Worten seines Vaters, Wilhelm Sistig, mit folgendem Zitat beginnen:


"Wir sind da zu Hause, wo wir alle zusammen sind. Aber das ist nicht unsere Heimat. Die Heimat war in Wollseifen." - Seite 5


Ein weiterer schöner Artikel ist auf Domradio.de am 17. August 2008 über Wollseifen und Fritz Sistig erschienen. Rückkehr in die Heimat beschreibt, wie es sich anfühlt an den Heimatort zurückzukehren ohne jemals wieder dort ankommen zu können.


Donnerstag, 19. Januar 2023

Der Junge im Fluss - Nestor T. Kolee

 

Der Junge im Fluss 
Über die Suche nach dem eigenen Ich
Zeitgenössische Belletristik
Argon Hörbuch
Buch erschienen im dtv Verlag
Autor: Nestor T. Kolee
Sprecher: Joachim Schönfeld
Download/Streaming
Laufzeit 5 Stunden 33 Minuten
ISBN 978-3-7324-8247-4
veröffentlicht am 14. Oktober 2022





Der Junge im Fluss ist die Geschichte um Ben. Ben ist auf einer Insel aufgewachsen. Das Leben auf der Insel wird für die Bewohner immer schwieriger und einsamer. Zuletzt gibt es auf der Insel nur noch Ben. Ben, der sein Leben so bewahren möchte, wie es ist. Im Einklang mit sich und den Dingen, die er für wichtig hält. Was draußen in der Welt los ist, das weiß Ben nicht. 






Gelegentlich kehrt sein Bruder auf die Insel zurück. Immer dann, wenn jemand gestorben ist. Dieses Mal jedoch ist niemand gestorben. Allerdings zwingen die äußeren Umstände Ben dazu, die Insel zu verlassen, nachdem seine Hütte eingestürzt ist. 

Ben fühlt sich entwurzelt. Keine Heimat, kein Zuhause, kein Anker - nur die Aufgabe, die ihm sein Bruder gestellt hat. 

Der Anfang der Geschichte hat mich gut abgeholt. Für Menschen wie Ben sind äußere Umstände zwingend notwendig, um eine eigene Veränderung herbeizuführen. Mit der Reise, auf die Ben sich begibt, und die zeitweise wiederkehrenden Begebenheiten, habe ich dann persönlich Schwierigkeiten. Es ist mir zum Teil zu phantastisch für eine Selbstfindung und ich kann die Gedankengänge von Nestor T. Kolee schwer oder nicht nachvollziehen. 

Ich weiß auch, dass sich bestimmte Abläufe im Leben wiederholen müssen, um sich einzuschleifen und doch hätte ich in der Geschichte auf die eine und andere "Schleife" gern verzichtet. 

Die Stimme des Sprechers Joachim Schönfeld ist angenehm und untermalt die Reise von Ben, seine Unsicherheit, seine Zielstrebigkeit und den Wunsch anzukommen.


Fazit

Der Junge im Fluss ist für alle, die sich gedanklich auf eine phantastische Reise mit Ben auf der Suche dem eigenen Ich begeben wollen.


Freitag, 13. Januar 2023

Sie schuf ein Monster - Lynn Fulton und Felicita Sala


Sie schuf ein Monster
Wie Mary Shelley Frankenstein erfand
Bilderbuch
von Hacht Verlag
Text: Lynn Fulton 
Illustration: Felicita Sala
ISBN 978-3-96826-020-4
44 Seiten  




Sie schuf ein Monster - Wie Mary Shelley Frankenstein erfand erzählt die Geschichte der jungen Mary, wie sie vor rund 200 Jahren in einer stürmischen Nacht davon träumte, selbst einmal Geschichten zu erzählen. Mary Shelley stammt aus einer Schriftstellerfamilie und die Macht der Worte umgab sie buchstäblich tagein, tagaus. Und eines Tages wollte sie selbst bedeutende Worte niederschreiben und etwas Wichtiges erzählen. 




Mary Shelley war vielseitig interessiert. Neben der Schriftstellerei, Geistergeschichten und Spuk interessierte sie sich für wissenschaftliche Experimente. Als sie so einem Gespräch der Männer lauschte während draußen der Wind heulte, erinnerte sie sich an ihre Angst als Kind vor derlei Wissenschaft. Und sie erinnerte sich daran, was ihre Mutter, Mary Wollstonecraft, zu ihren Lebzeiten geschrieben hatte. Durch ihr geschriebenes Wort allein hatte Mary Shelley ihre Mutter kennengelernt. Sie schrieb über Frauenrechte, die Gleichstellung von Mann und Frau, von Demokratie - und trat damit nicht nur offene Türen sein, sondern auch Wellen der Empörung los. 

Die Geschichte, wie sich Mary Shelley an all die Gegebenheiten erinnerte und diese durchlebte, lässt mich als Leserin mitfühlen, welche Kraft die Protagonistin allein aus den Worten schöpfte. Begeistert lasse ich mich durch die Erzählung um Mary Shelley tragen. Die Worte, die Lynn Fulton für Mary Shelley findet, passen so gut zu dem Gefühl der Zeit von vor 200 Jahren und spiegeln dabei wider, was heute noch im Argen liegt. 

Mary Shelley schreibt in vielerlei Hinsicht Geschichte. Und mit Sie schuf ein Monster gibt Lynn Fulton Mary Shelley Raum und lässt uns ihrer Geschichte näher kommen. 

Felicita Sala hat die Geschichte schön schaurig illustriert. In gedeckten Farben und mit plakativen Illustrationen untermalt Felicita Sala die Geschichte um Mary Shelley und sorgt für eindrucksvolle bildhafte Momentaufnahmen in der Geschehensabfolge. 

Sie schuf ein Monster ist auf jeder Seite angefüllt mit Eindrücken, die ich beim Lesen der Geschichte und beim Betrachten der Bilder Stück für Stück behutsam aufnehmen konnte. Lynn Fulton erzählt die Geschichte über Mary Shelley wie die Geschichte einer lieben Freundin, sorgsam und in aller Freundschaft. 


Fazit

Sie schuf ein Monster ist für alle, die Geschichten um starke Persönlichkeiten in Wort und Bild in verstandener Kürze erleben wollen. Und für jene, die Mary Shelley zugewandt sind. 


Freitag, 6. Januar 2023

Miss Kim weiß bescheid - Storys - Nam-Joo Cho


Miss Kim weiß bescheid - Storys
Verlag Kiepenheuer & Witsch
erschienen als Hörbuch im Argon Verlag
Autorin: Nam-Joo Cho
Sprecherinnen: Christiane Marx und Sabine Arnhold
Übersetzung aus dem Koreanischen: Inwon Park
Medium: Download und Streaming
Laufzeit: 6 Stunden 42 Minuten
ISBN 978-3-7324-5945-2 
veröffentlicht am 6. Oktober 2022





Miss Kim weiß bescheid ist ein in acht abgeschlossene Geschichten unterteiltes Werk der koreanischen Autorin Nam-Joo Cho. Für die Hörbuchfassung wurde das Werk um eine Geschichte gekürzt. Nam-Joo Cho hat mit ihrem Roman Kim Jiyoung, geboren 1982 internationales Interesse geweckt. Der Roman wurde über zwei Millionen Mal verkauft und erfolgreich verfilmt. 





Miss Kim weiß bescheid erzählt sehr bildhaft und einfühlsam aus dem Leben und Zusammenleben von sieben verschiedenen Mädchen und Frauen im Alter von zehn bis 80 Jahren. 

Es geht vor allem um die Gefühle dieser koreanischen Frauen und um verschiedene Lebenssituationen. Es geht um ein nahendes Lebensende, um Abschied, um das Loslassen, um Akzeptanz und nicht erfolgte Akzeptanz. Es geht um Literatur und Lebensgeschichte, um Gewalt in der Familie, um Dankbarkeit. 

In der zweiten Geschichte, die mit Trotz übertitelt ist, erzählt Nam-Joo Cho von einer heranwachsenden jungen Frau, die dabei ist, sich ihren Lebensweg zu ebnen. Sie erfährt Hilfe in einer für sie unangenehmen Situation und ist erfüllt von Dankbarkeit, ohne diese je zu äußern. Als sich ihr Jahre später die Gelegenheit bietet sich doch noch zu bedanken, stellt sie fest, dass jeder Mensch seine eigene Wahrheit und den eigenen Blick auf die Dinge hat. Die Geschichte zeigt, wie wichtig Verstandenwerden und Vergebung sind. 

In weiteren Geschichten geht es um die Rolle der Mutter aus Sicht der Kinder, um die Rolle des Vaters aus Sicht der Kinder. Es geht um Verantwortung sich selbst gegenüber und der Familie.

Was es mit der Gefühlswelt der Kinder macht, wenn ein Part fehlt. Und das große Verstehen, wenn den Kindern bewusst wird, dass Eltern auch Menschen abseits ihrer Rolle sind. 

Spannend fand ich die Geschichte aus dem Arbeitsleben. Ein typischer Büroalltag, mit typischen Bürotätigkeiten, mit einem Organisationstalent, deren Arbeit man nicht messen kann. Und die Lücke, die die Person hinterlässt, wenn sie nicht mehr da ist. 

Die klare Sprache, die Nam-Joo Cho zu Papier bringt und die schonungslose Offenheit der Frauen, darzulegen, in welcher Situation sie sich befinden und wie sich die Situation anfühlt, macht Miss Kim weiß bescheid schnell zu einer von mir geliebten Lektüre, die ich gern mal wieder zur Hand nehme. 

Miss Kim weiß bescheid zeigt ganz deutlich: die Frauen dieser Welt unterscheiden sich nicht in vielen Dingen voneinander. 

Christiane Marx und Sabine Arnhold geben den Protagonistinnen durch ihre Stimmen ein Mehr an Raum und Wirken. Beide Stimmen sind sehr harmonisch miteinander. Es klingt vielleicht ein bisschen steif, aber es ist für mich ein absolut stimmiges Hörerlebnis. 

Die Übersetzung von Inwon Park fand ich sehr gelungen. Die Geschichten werden sprachlich zeitgemäß erzählt. Ein echtes Vergnügen. 


Fazit

Miss Kim weiß bescheid ist für alle, die in die Lebenssituationen von Frauen unterschiedlichen Alters eintauchen wollen. 


Bonus

Wer sich jetzt fragt, ob das Buch oder das Hörbuch das richtige Medium ist: die Hörbuchfassung umfasst sieben Geschichten koreanischer Frauen, das Buch umfasst acht Geschichten.