Montag, 29. November 2021

Ein neuer Horizont - Maiken Nielsen


Ein neuer Horizont
Roman
Rowohlt Verlag - Wunderlich
Autorin: Maiken Nielsen
ISBN 978-3-8052-0072-1
500 Seiten
Erscheinungsdatum: 19. Oktober 2021



Ein neuer Horizont. Der Romantitel weckt Hoffnung in mir. Hoffnung auf eine neue, friedvolle Zukunft. Eine Zukunft, in der die Protagonistin Nellie nicht zurückgewiesen wird. Eleanor Ericsson muss in ihrem Beruf, der gleichzeitig ihre Berufung zu sein scheint, immer wieder gegen ihre Zurückweisung ankämpfen und sich behaupten. Eine Zurückweisung, die allein darin begründet liegt, dass sie eine Frau ist. Sie ist als Kriegsreporterin an der Front in Korea. Nur wenige ihrer männlichen Kollegen oder der Offiziere akzeptieren Nellie




Nellie muss sich nicht nur gegen die Männerwelt behaupten und zusehen, wo sie beruflich bleibt. Auch privat hat sie ganz schön zu kämpfen. In rückblickenden Erzählungen erfahre ich mehr über ihre Kindheit. Wie unbeschwert sie aufgewachsen ist. Mit ihrer Zwillingsschwester Laura und ihren Eltern, die beide Manam und Takat nennen. Manam und Takat ist seeisch. Laura und Nellie haben nicht nur eine besondere Verbindung zueinander, sondern auch ihre eigene geheime Sprache entwickelt. 

Diese Unbeschwertheit und Zuneigung steht in krassem Gegensatz zu den Erlebnissen, denen Nellie in Korea ausgeliefert ist. 

Ein weiterer Erzählstrang führt mich während Nellies Recherche an der Front in Korea zu ihrer Mutter Hanna nach Berlin. Und dort wird herrlich berlinert. Die Lebensfreude, die Direktheit, die ihre Bekannte Lilo dort versprüht, wirkt direkt auf meine Mundwinkel und lässt diese nach oben ziehen. Der Ton ist zwar manches mal ein wenig harsch, die Beweggründe der agierenden Charaktere sind aber immer nachvollziehbar - auch wenn sie nicht immer edel und lobenswert sind. 

Beim Lesen der Geschichte fühle ich mich stets mitgenommen und mittendrin im Geschehen. Maiken Nielsen hat so spannende und lebensnahe Ereignisse gepaart - und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Da gibt es zum Einen die Zwillinge Nellie und Laura, das Leben der Menschen in Ost- und West-Berlin und nicht zuletzt den Krieg zwischen Süd- und Nord-Korea. Die Beziehungen der Menschen zu- und miteinander machen die Geschichte lebendig. 

Maiken Nielsen hat einen sehr bildhaften Erzählstil und die Emotionen sind für mich beim Lesen spürbar. Ich habe so viele Lieblingsstellen in dem Buch. Die einen bringen mich zum Schmunzeln, die anderen zum Nachdenken, wieder andere stimmen mich traurig und manche wecken mein Kämpferherz. Die schönsten Momente allerdings sind die, in denen ich mit Nellie feiern und jubeln kann. Und das tue ich voller Inbrunst. 

Gefeiert habe ich auch die Momente, in denen Maiken Nielsen die Literatur- und Filmszene ins Geschehen einbindet. Das macht es für mich als Leser so greifbar und ich fühle mich, als wäre ich in der Zeit um 1950 tatsächlich dabei. Und das, obwohl ich da noch nicht einmal geboren war. 

Ein neuer Horizont ist zu einem meiner Herzensbücher geworden. Mich wundert es nicht, dass Maiken selbst einen Teil ihrer Kindheit und Jugend auf Frachtschiffen verbracht hat. So eindrücklich, wie sie über die Kindheit von Nellie und Laura schreibt. 


Fazit

Ein neuer Horizont ist für alle, die neben fremden Welten gern lebensnahe Geschichten entdecken. Ein neuer Horizont ist so unbeherrscht und mitreissend wie das Leben selbst. - Oder wie die See, voller Abgründe und Zauber.  


Bonus

Du willst mehr über Maiken Nielsen, ihre Buchprojekte und Ein neuer Horizont erfahren? Dann schau unbedingt auf ihrer Homepage Maiken Nielsen vorbei. 

Freitag, 5. November 2021

Magische Welt der Dinge - Antons geheime Reise mit Paul Pulli - Alexandra Wagner

 

Magische Welt der Dinge 
Antons geheime Reise mit Paul Pulli
Autorin: Alexandra Wagner
Illustratorin: Sabine Marie Körfgen
ISBN 978-3-96966-720-0
152 Seiten




Magische Welt der Dinge - Antons geheime Reise mit Paul Pulli - in den Titel war ich schon gleich verliebt. Magische Welt der Dinge klingt heimelig und schon als Kind habe ich gern Abenteuer erlebt. Eine geheime Reise mit Paul Pulli klingt vielversprechend. Zumal auf dem Cover ein fröhlich dreinblickender Junge namens Anton abgebildet ist, der mittels Superkräften nachts durch die Luft fliegt. 




Die tolle Illustration auf dem Cover von Sabine Marie Körfgen ist nicht die einzige. Im Buch finden sich zahlreiche weitere schwarz-weiß Illustrationen, die die Erlebnisse von Anton und Paul Pulli veranschaulichen. 

Die Geschichte fängt ganz ruhig an. Anton fragt seine Mutter, wo sein Lieblingspulli herkommt. Doch die Antwort seiner Mutter genügt ihm nicht. Anton will nicht nur wissen, dass sein Pulli bestellt und geliefert wurde. Anton will ganz genau wissen, wie sein Lieblingspulli hergestellt wurde.

Das freut den aufgedruckten Superhelden auf dem Pulli und kaum ist die Mutter aus dem Schlafzimmer, materialisiert sich der Superheld. Freude, Abenteuerlust und Neugier sorgen dafür, dass Anton sich mit Paul Pulli auf eine abenteuerliche Reise begibt. Eine Reise zurück zu den Anfängen des Daseins als Pulli. 

Mit viel Witz und Begeisterung schreibt Alexandra Wagner die beiden Helden Anton und Paul Pulli in mein Herz. Die Reise ist nicht ganz ungefährlich und die beiden wollen schließlich auf ihrer Entdeckungstour nicht erwischt werden. Dabei bliebe auch die Frage, wie sie ihren nächtlichen Ausflug in die Ferne erklären wollten. 

Spannend und leicht nachvollziehbar erfahre ich in dem Buch die Entstehungsgeschichte eines Lieblingspullovers vom fertigen Produkt bis zurück zu den Rohstoffen. Ich erfahre, was es mit der Umwelt macht und worauf ich beim Kauf unbedingt achten sollte. Das alles lerne ich ganz nebenbei während Anton an der Seite von Paul Pulli ein grandioses Abenteuer erlebt und spannende Schauplätze erreicht. 

Der Erzählstil ist abwechslungsreich und lebendig. Es macht großen Spaß die beiden bei ihrem Abenteuer zu begleiten. Neben der Geschichte und der Gestaltung gefällt mir ganz besonders die Aufmachung des Buches. Es ist ein Hardcover mit tollen Farben und Fadenbindung - und dabei mit ökologischen Farben und einem klimaneutralen Druck auf Recyclingpapier. Und dass es sich dabei um Recyclingpapier handelt, sehe und spüre ich nicht mal an der Qualität. Die Qualität ist hervorragend und der Druck kristallklar. Die Schrift, die Zeichnungen - alles ist gut lesbar und gut zu erkennen. Ich bin sehr begeistert von diesem tollen Buch und freue mich, dass es sich um den ersten Band einer Reihe handelt. Ich bin schon sehr gespannt, um welches Thema es im nächsten Buch geht.


Fazit

Ein toll gestaltetes, lehrreiches Buch mit schönen Illustrationen und viel Wissenswertes rund um die Herstellung von Kleidung und die Auswirkungen auf unsere Umwelt. 

Donnerstag, 4. November 2021

Ein besonderes Erlebnis - Momentaufnahme im Leben als Buchbloggerin

 



Als Buchbloggerin kann ich schon viele besondere Erlebnisse verzeichnen. - Denn, das ist es ja gerade: die Faszination an Geschichten, am Geschehen an sich. Wunderbare Momente mit Menschen, die genauso ticken, wie man selbst. Ob es Verlagsmitarbeiter, Autoren, Illustratoren, Buchblogger, Hörbuchsprecher, Moderatoren oder Buchmessebetreiber sind - letztendlich sind wir alle Leser und lieben gut geschriebene Geschichten. Und als lesender Mensch bringt jeder seine Eigenarten, Ideen und Erfahrungen mit. Es ist immer herrlich. Und immer besonders.



Da ich ganz oft über tolle Ereignisse berichte - jüngst erst in einem Interview der lieben sonja liest - erzähle ich Euch heute von einem besonderen Erlebnis, das unglaublich erscheint. - Das Geschehen lässt mich nicht mehr los. 

Ich muss Euch allerdings warnen! Es handelt sich um ein besonderes Erlebnis. Das sagt noch nichts darüber aus, auf welche Art es besonders war. - Aber lest selbst. 

Da es das wirkliche Leben widerspiegelt und der Inhalt für den einen oder anderen aufwühlend sein kann, empfehle ich allen, die zart besaitet sind, sofort mit dem Lesen aufzuhören. 


Es war ein Mittwoch. Ich war mit Freunden verabredet. Wir sehen uns nicht sehr häufig - schon gar nicht in der letzten Zeit - und so war die Freude groß, dass wir uns zu einem ganz besonderen Event treffen konnten: einer Lesung in unserer Lieblingsbuchhandlung. 

Vorher wollten wir noch gemütlich zusammensitzen, uns gegenseitig mit Neuigkeiten versorgen und einen Happen essen. Es war ein bunter Abend mit guten Gesprächen, Lachen, Herzlichkeit und herrlichen Leckereien. Trotz des Regenwetters war die Stimmung hervorragend und die Vorfreude auf die bevorstehende Lesung war groß. 

Auf dem Weg zur Buchhandlung wurde ich jedoch ernst. Sehr ernst.

Auf der regennassen Straße glänzten die Lichter der Straßenlaternen, aber auch Blaulicht gesellte sich dazu. Aufgeregt zuckte das Licht über die Straße und mir wurde mulmig. Gerade hatte ich so viel Spaß und genau in diesem Moment schien jemand dringend Hilfe zu benötigen. Das Blaulicht stammte von einem Rettungsfahrzeug, einem Polizeifahrzeug, einem Polizeimannschaftswagen und da hörte ich auch noch ein Fahrzeug mit eingeschalteter Sirene näherkommen. 

Mein Herz schlug doll in meiner Brust. Aus dem Augenwinkel sah ich einen Mann an einer Hauswand lehnen. Sein Blick ging in die Ferne, er wirkte seltsam reglos. Seine Kleidung wirkte abgetragen und ein Haarschnitt war wohl schon länger her. Direkt neben ihm am Boden lag irgendetwas aus Stoff - ich wollte es mir nicht genauer ansehen, denn dort in dem ganzen Stoff am Boden knieten zwei Rettungskräfte, die versuchten, einem Menschen mittels einer Herzdruckmassage das Leben zu retten. So jedenfalls sah es aus dem Augenwinkel für mich aus.

Ich klammerte mich am Arm meiner Freundin fest. "Ich sehe nicht hin", sagte ich. "Ich auch nicht", antwortete sie. "Gut, dass Hilfe da ist", sagte ich. "Ja, das ist gut", antwortete sie. 

Meine Gedanken suchten nach Erlebnissen, um das Geschehen für mich einzuordnen. Da ist es also wieder, das Leben. Unberechenbar. Wenn für den einen gerade ein besonders schöner Moment bevorsteht, ist es für jemand anderen gerade ein Kampf ums Leben. Jeder erlebt mal etwas Schlimmes, und jeder erlebt hoffentlich auch Schönes. 

Und wieder einmal fragte ich mich, ob ich jetzt etwas Schönes erleben und genießen darf. Und wie ich das machen sollte, das zulassen konnte. 

Und dann war alles ganz einfach: 

In der Buchhandlung angekommen waren viele Leserinnen und Leser, die sich schon auf die bevorstehende Lesung freuten. Schnell kamen wir ins Gespräch über das aktuelle Buch und wir plauderten angeregt. Selbst die Mitteilung, dass die Autorin sich etwas verspäten würde, war nicht schlimm. Wir plauderten über die drei Vorgängerromane der Reihe und waren froh, endlich mal wieder in der Veranstaltungsetage der Buchhandlung zu Gast sein zu dürfen. Die letzten Veranstaltungen die stattfinden durften, besuchten wir in einer nahegelegenen Kirche. Das Flair der Buchhandlung ist halt einfach gemütlicher. 

Und dann waren die Autorin und die Moderatorin auch schon da. Beide waren gutgelaunt und fröhlich und starteten gleich mit einem witzigen Schlagabtausch. Die Moderatorin stellte gleich ein paar Fragen zum Schauplatz der Geschichte und ich saß wie gebannt auf meinem Stuhl und wollte bloß kein Wort verpassen. 

Es ging um den aufregenden Schauplatz einer Müllverbrennungsanlage. Einer Müllverbrennungsanlage! - Wie kommt eine so sympathische junge Frau bloß auf solch einen Schauplatz?! 

Ich sage Euch, das Gespräch und die ausgewählten Textpassagen waren so spannend, dass ich alles andere um mich herum komplett ausblenden konnte. Die Geschichte hatte ich vor einigen Wochen bereits gelesen  - aber mit dem Wissen jetzt, wie die Autorin zu den einzelnen Begebenheiten recherchiert hat - lässt mich das Buch noch um einiges spannender erscheinen. 

Die Zeit ging ruckzuck dahin und kaum, dass die Lesung begonnen hatte, war sie auch schon zu Ende. Hochspannende zwei Stunden mit vielen tollen Informationen, Fotos, Signierwünschen und persönliche Worte. Ich fühlte mich von Glück getragen, solch ein besonders schönes Erlebnis zu erfahren. 

Auf dem Weg zum Auto, die Tasche mit meinem nun signierten Buch wegen des Nieselsregens dicht an mich gepresst, fielen mir gefühlt sämtliche gelesenen Szenen aus Thrillern und Krimis wieder ein. 

Schräg gegenüber von meinem Fahrzeug stand ein unbesetzter Mannschaftswagen der Polizei mit Warnblinklicht. In der Ferne sah ich Blaulicht. Zwei Stunden! Um genau zu sein mehr als zweieinhalb Stunden waren vergangen und hier waren immer noch zahlreiche Polizeifahrzeuge. Was war nur geschehen? Und, wollte ich das wirklich wissen? War es vielleicht gar kein Unfall? Keine Herzattacke? War es ein Überfall? Und wo war der Täter? Lauerten Täter nicht immer noch am Tatort? War ich einfach nur blauäugig und jetzt allein auf dem Weg zum Auto? Aber nein. Ich war nicht allein. Da gingen Polizistinnen und Polizisten, ein Vierertrupp. Allein war ich nicht. Und jetzt, da ich in mein Auto einstieg, wohl auch nicht mehr in Gefahr. 

Nun blicke ich zurück auf einen besonderen Abend. Einen Abend, der mir in seiner ganzen Vielfalt Freud und Leid zeigte. Freud und Leid in einem so schnellen Wechsel, dass ich es kaum fassen kann und doch ist es nachvollziehbar. Nicht jeden Tag geht es jedem Menschen gut. Und wenn es mir gut geht, dann darf ich das auch genießen. Und trotzdem darf ich es bedauern, dass nicht jeder Mensch zur gleichen Zeit dasselbe Glück empfinden darf. Und ich bin froh, dass nicht jeder Mensch dasselbe Leid wie andere gerade erfahren müssen. 

Es war ein sehr besonderes Erlebnis, eine Lesung, die sich so lebendig angefühlt hat, dass ich die Dunkelheit da draußen für den Moment vergessen hatte. Danke!