Samstag, 12. September 2020

Herzmalerei - Syma Schneider


Herzmalerei
Roman
Bucher Verlag
Syma Schneider
ISBN 978-3-99018-506-3
400 Seiten



Ich fühle mich nicht leer, nicht einsam,
sondern angefüllt und bereichert mit Leben, mit Erfahrung.
Und dennoch bin ich traurig, unendlich traurig.

Ich bin traurig, weil die Geschichte zu Ende ist,
diese Episode des Lebens von Zenia, von Nael. 
Und dennoch bin ich voller Hoffnung, voll Hoffnung auf ein Wiedersehen. 




Herzmalerei ist eine unendlich berührende Geschichte.

Anfangs hatte ich meine Zweifel. Ich lerne Zenia kennen und Nael. In kurzen Kapiteln, die abwechselnd über Zenia und Nael erzählen, bin ich den Beiden sehr nah. Zenia ist Psychologin. In der Firma, in der sie arbeitet, werden System-Menschen - genauer gesagt: Babys - produziert. Nael sitzt im Gefängnis. 

Beide wirken auf mich etwas instabil und eingefahren. Ich bin auf der Hut, doch beide schleichen sich unbemerkt nach und nach in mein Herz. Die Härte, die beide nach außen kehren, ist reine Vernunft und das hat noch niemandem geschadet. Doch beide, Nael wie auch Zenia, sind absolute Herzensmenschen. Und sie sind Gott-Menschen - also unabhängig vom System und auf natürlichem Wege zur Welt gekommen. 

In einer Welt, in der Hover-Schuhe ein normales Fortbewegungsmittel sind, in einer Welt, in der ab der Mittelschicht jeder einen BRO hat. Einen BRO, den ich mir selbst programmieren kann: Stimme, Aussehen, Geschlecht. Er kennt meine Termine, versendet Sprachnachrichten für mich und spielt mir meine empfangenen Nachrichten vor. Er kennt nicht nur alle Telefonnummern, er ist mit dem UniversalNet und überhaupt aller Technik verbunden und weiß sie zu nutzen. Dank künstlicher Intelligenz entwickelt er sich im Laufe der Zeit immer weiter. Ich muss sagen, ich steh auf all die tollen Neuerungen in der Zukunft und hoffe auf ein entsprechend langes Leben. - Was mir allerdings Kopfzerbrechen bereitet, sind die System-Menschen. 


"Der Zutritt in dieses strengstens abgeschirmte Gebiet ist nur Leuten erlaubt, die keine ansteckenden Krankheiten haben und die über einen ID-Chip verfügen. Genetisch perfekte System-Menschen dürfen ungeprüft hinein. Gott-Menschen dagegen, die wie ich auf natürlichem Wege gezeugt und geboren wurden, müssen gescannt werden." - Seite 24


Und die Einschränkungen, die es für Gott-Menschen gibt. Diese Gesundheitszonen sind für mich gar nicht so abwegig. 

Doch die Technik kann noch viel mehr: sie kann uns in den Alpha-Zustand versetzen. Denn, wenn man dem Unternehmen Glauben schenkt, kann ich mithilfe der Technik meine Seele und damit mein früheres Leben kennenlernen. Wie ein Film spielt sich mein früheres Leben - oder besser Episoden eines meiner früher gelebten Leben - vor meinem inneren Auge und auch auf dem Screen ab. Gedanken werden zu realen Bildern und ich wäre nicht abgeneigt, diese Technik kennenzulernen und selbst zu erproben. 

Ganz anders jedoch leben die Menschen, die wenig Geld verdienen oder gar vom Staat gefördert werden: kleiner Wohnraum in grauen Betonklötzen. Die Wohnungen sind WG´s gleich. Hier haben die wenigsten einen BRO geschweige denn Hover-Schuhe. Es scheint beinahe, als sei bei ihnen die Zeit stehen geblieben. 

Herzmalerei nimmt mich mit auf diese spannende Reise in die Zukunft und gleichermaßen lässt sie mich an alte Werte und das Ur-Erlebte glauben. 

Genauso wie die Protagonisten sich in mein Herz geschlichen haben, hat es auch die Geschichte gemacht. Ganz heimlich, still und leise. Durch diesen betörenden Schreibstil, der mal zögerlich und behutsam, mal direkt und ungeschönt die Dinge beim Namen nennt. Schlussendlich fühle ich mich einer wilden Party beraubt, zu der ich mich während des Lesens der Geschichte begab. 


"Mein Herz tanzt vor Glück. "Romeo, ich brauche jetzt ganz laute Musik." Überschwänglich flippe ich gemeinsam mit der Verrückten im Spiegel aus." - Seite 290


Und genauso fühlte ich mich auch. 

In Herzmalerei kommen Gefühle nicht zu knapp und auch schwierige Themen wie Wiedereingliederung, Gewalthandlungen von Vertrauten und Spionage werden bedient. Trotz der Ernsthaftigkeit der Themen kann ich - dank des Schreibstils und der Dialoge - auch immer mal wieder lachen. 


Fazit

Wer spannend geschriebene Liebesgeschichten mit Sci-Fi-Elementen mag und sich mit der Technik von Morgen gern auch heute schon anfreundet, ist mit diesem Buch sehr gut beraten. Ich lasse dieses Buch nur ungern wieder los.


Sonntag, 6. September 2020

Carsten Sebastian Henn - Der Gin des Lebens


Der Gin des Lebens heißt der neue Kriminalroman, den der Autor Carsten Sebastian Henn am Abend des 4. September 2020 bei Leuenhagen und Paris in Hannover vorstellt. 



Ausnahmsweise wird zu dieser Lesung auch Gin Tonic angeboten und die erste Frage, die der Autor dem Publikum stellt, ist "Wer von Ihnen trinkt denn alles Gin?" - Bei den vielen Handzeichen ist er ganz entzückt und beglückwünscht das Publikum, da laut einer Studie der University of Queensland Gin-Trinker zu den intelligentesten Menschen gehören. - Außerdem findet er es toll, sagt er, wenn sein Publikum schon leicht angeduselt ist. 


Die humorige Eröffnung der Lesung macht gleich gute Laune und genauso geht die Lesung auch weiter. Der Erzählstil von Carsten Sebastian Henn setzt sich auch im Buch so unvoreingenommen launig fort und im Plauderton berichtet er, dass er sich im Nachhinein über den Ort des Geschehens und den Namen der Protagonistin geärgert hat. Beide Namen beinhalten ein "th" und beim Einsprechen des Hörbuchs hatte Carsten Sebastian Henn seine liebe Not, wenn er von Plymouth und Cathy sprach. Nicht wirklich ernsthaft schimpfte er "im nächsten Buch heißt die Stadt London und die Protagonistin trägt den Namen Linda" und sorgte damit wieder für einen Lacher beim Publikum. 

Beeindruckt war ich auch von der tollen Vorbereitung der Lesung. Carsten Sebastian Henn brachte nicht nur sein Buch mit, sondern auch ein Bild, das den Leuchtturm Smeaton´s Tower zeigt, und das allererste, was er aus seiner Tasche zauberte, war eine Flasche Plymouth Gin. Das Etikett ziert die Mayflower - ein Segelschiff, das am 6./16. September 1620, also ziemlich genau vor 400 Jahren - von Plymouth aus nach Virginia unterwegs war und in Cape Cod landete. - Aber das ist eine andere spannende Geschichte. 

Carsten Sebastian Henn gesteht uns bereits nach den ersten gelesenen Zeilen aus seinem Buch, dass er "ein Freund früher Leichen" sei. Wenn er einen Krimi oder Thriller aufschlägt und nach einem Drittel des Buches ist noch niemand tot, fühle er sich schon betrogen. Wenn es nach ihm ginge, sollte der Verlag einen Aufkleber auf seinen Büchern anbringen, auf dem es heißt "frühe Leiche garantiert". Ich lache und bin mir sicher, dass solch ein Aufkleber zumindest mein Interesse wecken und mich den Klappentext lesen lassen würde, selbst wenn mich das Cover nicht ohnehin schon angezogen hätte. 

Doch nun zurück zu Der Gin des Lebens. In diesem Buch geht es tatsächlich darum, den Gin des Lebens zu finden. Und so begibt sich Bene Lerchenfeld, der in Mehringen am Kaiserstuhl sein Zuhause hat, auf die Suche nach den Inhaltsstoffen des Gins, den sein Vater einst kreierte. Und diese Suche führt Bene Lerchenfeld nach Plymouth und dort in das Bed & Breakfast von Cathy

Was es mit der frühen Leiche auf sich hat? Nun, diese wurde gerade kurz zuvor im Garten des Bed & Breakfast gefunden.



Ich bin ganz angetan von dieser Aussicht auf die Geschichte und dem launigen Erzählstil und kann mich gerade gar nicht entscheiden, ob ich lieber das Buch oder vielleicht das Hörbuch haben möchte. Zu schön ist es, den verschiedenen Stimmvarianten des Autors zu lauschen und damit die Charaktere auf Anhieb auseinanderzuhalten. 



Im Buch jedenfalls - das habe ich gesehen - sind neben einer im Umschlag gestalteten Karte auch einige Seiten im Buch, die Auszüge aus dem Werk "Gin - Alles was du wissen musst" von Archibald Callaghan (Plymouth/Devon) enthalten. Die Seiten werden grau hinterlegt hervorgehoben, so dass sie klar als Einschub zu erkennen sind. Das macht für mich die Auswahl nicht gerade leichter. 

Am Ende des Abends entscheide ich mich für das Buch als Geschenk für eine Freundin - so habe ich die Entscheidung für mich noch etwas herausgezögert.