Freitag, 9. Juli 2021

Kaputte Herzen kann man kleben - Kristina Günak


Kaputte Herzen kann man kleben
Roman
Verlag Bastei Lübbe
Autorin: Kristina Günak
ISBN 978-3-404-18435-4
304 Seiten




Kaputte Herzen kann man kleben klingt für mich nach einer lockerleichten Geschichte und nach Herzschmerz. Mit dieser Geschichte entführt mich die Autorin Kristina Günak nach St. Peter Ording und in das heimelige Zuhause von Tante Mimi. Dort findet die Protagonistin Luisa mit ihrer Tochter Amelie Unterschlupf, nachdem sie erschöpft durch ihre Arbeit als Hebamme und als alleinerziehende Mutter dringend eine Auszeit benötigt. 




Luisa ist sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Seele leidet, der Rücken schmerzt und sie ist froh, dass sie zunächst einmal Verantwortung abgeben kann. 


"Einen klitzekleinen Moment lang spürte ich einen sonderbaren Frieden nach mir greifen. Für einen Augenblick hielt mein Kopf die Klappe." - Seite 31


Auf dem Hof von Tante Mimi muss sie sich weder um ihre Tochter Amelie, noch um das Essen oder um irgendwelche Aufgaben auf dem Hof kümmern. Im Hinblick auf ihre Tochter Amelie fällt es ihr sichtlich schwer die "Zügel" auch mal locker zu lassen. Dazu kommt dieses ständig schlechte Gewissen, das sich einstellt, wenn sie sich um sich selbst kümmert. Das kann ich gut nachvollziehen. Obendrauf noch der Zeitmangel und der Leistungsdruck - heutzutage auch im Beruf einer Hebamme Realität. 


Amelie fühlt sich in ihrer neuen Umgebung wohl. Auf dem Hof von Tante Mimi geht es sehr lebhaft zu. Der oft etwas mürrische Fiete ist in Amelies Gegenwart aufgeschlossen und freundlich und auch mit dem großen schwarzen Hund, der auf den Namen Frau Ahorn hört, kommt Amelie gut aus. 

Die Charaktere sind sehr komplex und haben einen hohen Wiedererkennungswert. Ich lerne nach und nach den Ort kennen. Den Mädelsclub, der sich am Freitag am Strand trifft, die Physiotherapiepraxis von Tom Bredenhof, Suse´s Café - und schon bald kann ich es kaum erwarten, mit ihnen meine Freizeit zu verbringen, weil sie mir so ans Herz gewachsen sind. Die Charaktere haben Tiefe. Sie wirken jederzeit durch ihre besonderen Eigenarten und Lebensumstände authentisch. Es bereitet mir riesigen Spaß sie bei ihrem Leben und Wirken zu begleiten. 

Der Schreibstil von Kristina Günak ist sehr lebendig und lebensnah. Er ist mal umgangssprachlich mal bildungssprachlich und bietet damit ein Wortgefüge, in dem ich mich sehr wohl fühle. Es wird geschimpft, gelebt, geliebt - wobei mir die Liebe in diesem Roman etwas auf der Strecke bleibt. 

Ich mag das Knistern beim ersten Date, die verstohlenen Blicke, das flache verschämte Atmen. In Kaputte Herzen kann man kleben kommen diese Gefühle nur oberflächlich zutage. Dafür ist die Freundschaft der Frauen spürbar. Die Hilfe, die die Bewohner des Ortes sich untereinander zukommen lassen ist greifbar. Die Arbeitssituation einer Hebamme wird nachvollziehbar und anschaulich dargestellt. Die besonderen Herausforderungen, wenn man sich um alles allein zu Hause kümmern muss. Ich kann Luisa verstehen und ihr Leiden nachvollziehen. Was ich nicht verstehen kann, ist ihre mangelnde Bereitschaft ihr Leben zu verändern. Es steht zwar in der Geschichte geschrieben, das Gefühl stellt sich bei mir allerdings nicht ein. Für mich fühlt es sich an, als hätte Kristina Günak selbst stellenweise keine Nähe zu Luisa und Tom. 

Nähe entwickelt sich dafür zu der Gemeinschaft im Ort und den Menschen in ihnen. Das ist Kristina Günak in Kaputte Herzen kann man kleben ganz großartig gelungen. Ein Ort, an dem ich mich auch zu Hause fühlen würde. 


Fazit

Kaputte Herzen kann man kleben ist für alle, die einen tiefsinnigen Roman über Freundschaft und Mut in der wunderbaren Kulisse von St. Peter Ording lesen wollen. 


Mittwoch, 7. Juli 2021

Bluteiche - Anders de la Motte


Bluteiche
Kriminalroman
aus dem Schwedischen von Marie-Sophie Kasten
Droemer Taschenbuch
Autor: Anders de la Motte
ISBN 978-3-426-30743-4
432 Seiten
Erscheinungsdatum: 1. April 2021




Das Geschehen in dem Kriminalroman Bluteiche spielt in der Provinz Schonen im Süden von Schweden. 

Protagonistin ist Dr. Thea Lind, die mit ihrem Mann David Nordin in seine Heimatstadt Tornaby zieht. Bei einem Spaziergang mit Emee, dem Hund ihrer Freundin Margaux, findet Thea eine alte Blechdose mit rätselhaftem Inhalt. Das inneliegende Foto zieht Thea in ihren Bann und kaum, dass sie es sich versieht, ermittelt sie in einem alten Mordfall aus dem Jahr 1986. 



Frühlingsopfer wird sie genannt. In der Walpurgnisnacht 1986 findet die 16jährige Elita Svart den Tod. Die Umstände deuten auf die Tat des Grünen Mannes hin - oder auf einen Mord. Doch egal, wen Thea in der Gemeinde Tornaby anspricht, niemand will ihr zu dem damaligen Geschehen Auskunft geben. 


"In der Walpurgnisnacht ist der Grat zwischen Leben und Tod am schmalsten. Alles ist in Bewegung, die Natur ist hungrig, und der Grüne Mann reitet durch die Wälder." - Seite 11


Anfangs verwirrte mich der Erzählstil von Anders de la Motte. Die Kapitel berichten abwechselnd von dem Geschehen 1986 und der Jetzt-Zeit, mehr als 30 Jahre später. Die Kapitel um 1986 werden eingeleitet von Evita Svart und die Kapitel in der Gegenwart von Worten, die Thea an Margaux richtet. In welcher Form diese Worte an Margaux gerichtet werden, erschließt sich mir nach mehr als 100 Seiten noch immer nicht - und das ist ziemlich frustrierend. 

Der Fall von 1986 nimmt dagegen immer mehr Form an, so dass der Gedanke an Margaux zu einer Akzeptanz des nicht einordnen könnens weicht. Es ist mir nicht egal, aber es wurmt mich auch nicht mehr. Es wird sich schon noch auflösen. Wichtig ist nur noch die Aufklärung des Geschehens um Elita Svart. Was verheimlichen die Bewohner in Tornaby? Was will Elita in ihrem letzten Brief mitteilen? Wie soll Thea die Reaktionen der Bewohner einordnen? Die Frage, wie ich das alles zu einem Ganzen zusammenfügen kann, wird immer drängender. - Doch ich kann nicht schneller lesen. Die Handlung nimmt ab etwa der Mitte des Buches drastisch an Fahrt auf und es ärgert mich, dass ich die kommenden 200 Seiten nicht in einem Rutsch durchlesen kann. 

Einige Schmunzelfehler in Form von Vertippern und vermutlich mangelhafter Übersetzung bremsen meinen Lesefluss. Ich lese die Deutsche Erstausgabe, so dass diese in der nächsten Ausgabe wohl nicht mehr enthalten sein werden. 

Die Übersetzung aus dem Schwedischen von Marie-Sophie Kasten liest sich - bis auf diese wenigen Ausnahmen - rund.

Anders de la Motte gelingt es aufgrund der Handlung und seines flüssigen Erzählstils mich gleich wieder in den Bann zu ziehen und lässt mich - genauso wie Thea - süchtig werden nach der Aufklärung des Geschehens zur Walpurgisnacht im Jahr 1986. 

Die Charaktere nehmen im Verlauf der Geschichte immer mehr Form an und die einzelnen Charakterzüge stellen sich dar. Das verfolge ich mit Spannung und ich bin bemüht, aus dem Verhalten und den Worten die richtigen Schlüsse zu ziehen - genau wie Thea. 

Die Fäden gleichen zarten Seidenbändern, die die einzelnen Charaktere am Ende in der Geschichte zusammenführt. Und zum Schluss bin ich überrascht und zufrieden mit der Auflösung des Geschehens und meine Wunschliste ist um drei weitere Titel von Anders de la Motte reicher: Sommernachtstod, Spätsommermord und Winterfeuernacht


Fazit

Wer komplexe undurchsichtige Handlungen in alten Kriminalfällen liebt, greift mit Bluteiche zum richtigen Buch. Für alle Fans der Bodenstein-Kirchhoff-Krimireihe von Nele Neuhaus


Bonus

Der Titel der schwedischen Originalausgabe unserer Bluteiche lautet Varoffer, was soviel wie Frühlingsopfer heißt. Als ich sah, das Varoffer übersetzt Frühlingsopfer heißt, jubelte ich innerlich: der perfekte Titel für unsere deutsche Ausgabe. - Nur das unsere Ausgabe Bluteiche heißt. Da ließ ich dann sprichwörtlich "die Löffel hängen". Dabei wäre Frühlingsopfer für mich die perfekte Wahl, wenn ich auf die weiteren drei zuvor genannten Kriminalromane, die in der Region Skane, Schonen, spielen, blicke, sogar noch einmal mehr. 

Für mehr Informationen zum Autor und den Kriminalromanen besucht unbedingt die Verlagsseite von Droemer Knaur .


Sonntag, 4. Juli 2021

Schneewittchen muss sterben - Nele Neuhaus

 

Schneewittchen muss sterben
Kriminalroman
Ullstein Buchverlage GmbH
24. Auflage 2012
Autorin: Nele Neuhaus
ISBN 978-3-548-60982-9
534 Seiten



Schneewittchen muss sterben ist der vierte Band der Reihe um das Ermittlerteam Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff. Es ist total spannend für mich, die Entwicklung der beiden Charaktere zu verfolgen. Und so, wie ich die handelnden Personen immer besser kennenlerne, lernen sie sich auch untereinander kennen und schätzen und wissen um die Stärken und Schwächen der Kollegen und Kolleginnen. - Und doch gibt es immer wieder Überraschungen. 




Der lebendige Schreibstil lässt mich beim Lesen förmlich durch die Seiten der Geschichte fliegen. Das Geschehen spielt sich in Altenhain und Umgebung ab und bereits nach kürzester Zeit habe ich ein Bild von dem beschaulichen Ort und seiner Einwohner. Recht zugänglich sind diese allerdings nicht. Schon gar nicht, nachdem ein junger Mann wieder zurückkehrt, der nach einer mehr als zehnjährigen Haftstrafe wieder im Ort lebt. Wer Freund ist und wer Feind gilt es herauszufinden, als wieder ein junges Mächen verschwindet. 


Schneewittchen muss sterben hätte ich am liebsten in eins durchgelesen. Schon den Prolog fand ich erschütternd. Und das, was ich mir beim Lesen dort bereits ausmalen konnte, hoffte ich später in der Geschichte nicht bestätigt zu finden. 

Nele Neuhaus gelingt es in Schneewittchen muss sterben den Spannungsbogen zu halten. Die Cliffhanger am Kapitelende heizen die Stimmung noch an - und wenn es dann an anderer Stelle im Buch weitergeht, muss ich erst einmal durchatmen und mich sammeln. Das Geschehen ist so bildhaft erzählt und ich bin so sehr in der Geschichte, dass es mich nicht wundern würde, dass ich - wenn ich aus der Haustür trete - mich in Altenhain befände. 

Die Details, die Nele Neuhaus mit in die Geschichte webt, sind sehr eindrücklich. Das gefällt mir und ist neben dem gesprochenen Dialekt der Bewohner für mich sprichwörtlich das Salz in der Suppe. 


"Was ist denn hier heute Abend eigentlich für ein Aufruhr?", fragte Amelie die ältere Kollegin, die einen ihrer Gesundheitslatschen abgestreift hatte und sich unauffällig mit dem rechten Fuß die Krampfadern an der linken Wade rieb. ... "Ei, der Bub vom Sartorius is heude aus´m Knast gekomme", verriet Roswitha mit gesenkter Stimme. - Seite 20


Es hat mir riesig viel Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen und die Hintergründe mit Oliver und Pia gemeinsam aufzudecken. Die Verwicklungen und die Vielschichtigkeit der Charaktere tun ihr übriges  und ich kann es kaum erwarten, mich im nächsten Band wieder an die Fersen des Ermittlerteams zu heften. 


Fazit

Wer Krimis liebt, die mit Verwicklungen und vielschichtigen Charakteren aufwarten, der trifft mit Schneewittchen muss sterben eine sehr gute Wahl. 


Bonus

Mehr über die Bodenstein Kirchhoff Reihe erfahrt Ihr in meinem Artikel dazu. Dort habe ich Euch auch meine weiteren Rezensionen der bereits gelesenen Bände verlinkt. 

Über die Autorin und weitere Werke erfahrt Ihr auf ihrer Homepage und die Bücher findet Ihr auf der Verlagsseite