Dienstag, 1. Januar 2019

Gabriel Tallent - Mein Ein und Alles


Am 27. September 2018 stellte Gabriel Tallent seinen Debutroman Mein Ein und Alles in Hannover vor. Ende 2017 ist das Buch bereits in Amerika unter dem Titel My absolute Darling erschienen, einige wenige Tage vor der Lesung nun auch hier bei uns in Deutschland.
Die Lesung fand im Tintenturm in Hannover statt und wurde von Margarete von Schwarzkopf moderiert. Die Lesung des deutschen Parts übernahm Anna Thalbach, die auch Sprecherin des Hörbuchs ist.

Cornelia Fett und Gabriel Tallent, Tintenturm Hannover 2018

Mein Ein und Alles



In Mein Ein und Alles geht es um die obsessive Liebe eines Vaters zu seiner Tochter. Und diese  Tochter ist die Protagonistin dieser Geschichte: Turtle Alveston. Turtle Alveston - von ihrem Vater Martin auch Krümel genannt - ist 14 Jahre alt, als sie wahre Freundschaft kennenlernt. Zuvor wächst Julia, wie Turtle eigentlich heißt, eher in Abgeschiedenheit bei ihrem Vater, mitten in den nordkalifornischen Wäldern auf.
Martin glaubt, dass alles dem Untergang geweiht ist. Durch die globale Erwärmung verlieren die Nadelbäume all ihre Tannennadeln - und das ist für Martin dermaßen beunruhigend, dass er sich und seine Tochter von der gesamten Welt abkapseln möchte.
In der Schule distanziert Turtle sich von ihren Klassenkameraden. Einzig ihr Großvater steht ihr neben ihrem Vater noch zur Seite. Auf einem ihrer Streifzüge durch die Natur trifft Turtle auf Jacob, einem Jungen aus ihrer Schule. Dieser Junge weckt in ihr Zuneigung und Turtle entschließt sich, mit ihm in Kontakt zu treten. Turtle beginnt freundschaftliche Gefühle zu entwickeln und sich langsam aus der besitzergreifenden Liebe ihres Vaters zu lösen. Als Martin das registriert, versucht er mit allen Mitteln zu verhindern, dass Turtle sich von ihm und seiner Liebe befreit. Er wendet gleichsam Psychologie und Gewalt an.


Wie kam es zu der Geschichte?


Gabriel Tallent hatte bereits begonnen eine ganz andere Geschichte zu erzählen, als der Moment kam, an dem sich Turtle Alveston als Protagonistin herauskristallisierte. Das war so nicht geplant, doch Gabriel Tallent konnte und wollte daraufhin das Buch nicht weiterschreiben und Turtle allenfalls eine Nebenrolle zukommen lassen.
Etwas beunruhigt über den zeitlichen Rahmen, wenn er nunmehr beginnt, die Geschichte neu zu erzählen bzw. eine komplett neue Geschichte zu kreieren, sprach Gabriel Tallent mit seiner Mutter. Gabriel Tallent sprach offen über seine Sorge, dass - wenn er nun mit dem Buch neu begann - wieder fünf Jahre verlor, in denen er nicht studieren konnte. - Am Ende würde er arm sein. Doch seine Mutter sagte, wenn er dieses Buch tatsächlich schreiben wolle, die Geschichte erzählen müsse, dann sollte er unbedingt dieses Buch schreiben. Ansonsten würde er dies den Rest seines Lebens bitter bereuen.

Er ging das Risiko ein und so hat Gabriel Tallent 30 Stunden die Woche als Kellner gearbeitet - und 40 Stunden die Woche dafür aufgewandt, die Geschichte niederzuschreiben. Dabei lag er - mangels eines Schreibtisches - auf dem Boden, trank, bei gefühlten 100° C im Zimmer, kalten Kaffee gegen die Hitze. Eine Klimaanlage gab es in seiner Wohnung nicht. Ein Entwurf nach dem nächsten landete im Papierkorb. Er wollte die Hauptfigur, Turtle, wegen der er ja auch umdisponiert hatte um eben dieses neue Buch zu schreiben, so authentisch machen, wie es nur irgend möglich ist. Die Zeit ging ins Land. 2012 ist Gabriel Tallent mit seiner Frau nach Salt Lake City, Utah, gezogen und hat dort sein Buch Mein Ein und Alles fertiggeschrieben. Die Arbeiten an dem Roman haben somit ungefähr vier Jahre in Anspruch genommen.


In dem sich anschließenden Gespräch zwischen Margarete von Schwarzkopf, Gabriel Tallent und Anna Thalbach erfahren wir nach und nach mehr spannende und interessante Details.

Gabriel Tallent  ist bei Mendocino, Kalifornien aufgewachsen. Die Umgebung hat ihn geprägt. Dort ist die Küste, sind die Wälder, noch ungeschliffen und wild. Alles ist natürlich und unerschlossen. Doch erst als er Mendocino verlassen hat, ist ihm aufgefallen, was er damit zurücklassen musste. Das Meisterwerk The Seasons von James Thomson aus dem Jahre 1730 hat ihn bezüglich der Landschaftsbeschreibungen beeinflusst. Nun sind diese Landschaftsbeschreibungen in The Seasons auf Schottland gerichtet. Doch Gabriel Tallent nutzt dieses Wissen, um eben seine Landschaft, die um Mendocino, zu beschreiben und somit für den Leser zu veranschaulichen, greifbar zu machen.

Auf Margaretes Nachfrage, ob Anna Thalbach denn auch so eine spürbare Prägung während ihrer Kindheit oder Jugend erfahren durfte, entgegnet sie, sie sei ein City-Girl. Ein Stadtmädchen.
Anna Thalbach ist in der Stadt aufgewachsen. In Ost-Berlin geboren, aufgewachsen in West-Berlin. Und natürlich prägt der Ort, an dem man aufwächst, einen auch irgendwie.

Während der Lesung fällt mir auf, dass die Begebenheiten allesamt liebevoll und detailliert beschrieben sind. Es ist ein Genuss, den Worten zu lauschen.

Anna Thalbach lässt sich beim Lesen auf die Geschichte ein und erzeugt mit ihrer Stimme zusätzlich Spannung, die mich ein ums andere Mal den Atem anhalten lässt. Anna Thalbach hat auch das Hörbuch eingelesen. Zwischen Zartheit und Brutalität - so wie es in Mein Ein und Alles zu finden ist - zu wechseln, war für Anna Thalbach eine schöne Herausforderung, wie sie es selbst bezeichnet.

Anna Thalbach hat 125 Seiten am Tag eingelesen. 25 Seiten pro Stunde. Dabei muss sie sich gut vorbereiten, um die jeweilige Stimmung zu transportieren.

Im Gespräch zwischen Gabriel Tallent und Margarete von Schwarzkopf stellt sich heraus, dass der Charakter Martin durchaus auch Züge eines Long John Silver, den wir aus Die Schatzinsel kennen, aufweist.

Die Geschichte um Die Schatzinsel hat Gabriel Tallent ebenso geprägt. Er hat das Buch seinerzeit auf seinen täglichen Fahrten gelesen und hält sie für bereichernd fürs Leben und im Umgang mit Menschen.

Psychopathen können sehr sympathisch sein; charmant und liebevoll.
Der Charakter Martin ist sehr facettenreich. Martin ist sehr belesen und legt Wert auf Bildung, dennoch engt er Turtle mit seiner Liebe ein. Turtle will natürlich die Liebe und die Aufmerksamkeit ihres Vaters, sie ist geradezu abhängig davon. Und Turtle hofft, dass Martin dies erkennt und weiß und danach handelt, dass er sie liebevoll behandeln wird. Martin ist als Vater übermächtig und Turtle weiß in ihrer Unschuld und Menschenwürde nicht, wie sie ihm entgegentreten soll.

"Du und ich", sagt Turtle, "gegen den Rest der Welt." - Seite 128

Dann tritt Jacob in Turtles Leben. Er bewundert Turtle. Sie kann alles. Sie findet sich zurecht und kommt in der Wildnis klar. Ganz allein kann sie dort leben und überleben. Turtle ist im Umgang mit Waffen geübt, kann zur Nahrungsbeschaffung Tiere fangen und zubereiten, kennt sich mit den heimischen Pflanzen aus.

Turtle kennt sich immens gut mit Waffen aus. Sie reinigt die Schusswaffen selbst und weiß, wie sie beim Abfeuern reagieren. Welche Munition sich für welches Ziel am besten eignet. Wie der Verlauf der Munition beim Abfeuern bis zum Eintreffen sein wird. Sie kann es berechnen.

Margarete fragt bei Gabriel Tallent nach, wie seine Recherche dazu ausgesehen hat. Die meisten Waffen hat sich Gabriel Tallent tatsächlich selbst besorgt und genauestens studiert. Sonst könnte er nie die Funktionsweise derart detailliert beschreiben.

Die Essenz der Geschichte in Mein Ein und Alles ist eine moralische:

Gabriel Tallent will denen eine Stimme geben, die meinen, keine Stimme mehr zu haben. Die meinen, niemand will ihr Schicksal kennen, da sie ja selbst schuld seien. Denen, die meinen, sie seien nicht gleichberechtigt.


In den Wochen vor der Lesung waren in den USA Stimmen gegen Brett Kavanaugh laut geworden. Brett Kavanaugh wurde seitens Trump als Oberster Richter vorgeschlagen. Bislang haben vier Frauen ihn des Missbrauchs beschuldigt, erzählt Gabriel Tallent.

Das Amt des Obersten Richters ist ein lebenslanger Sitz am Obersten Gericht der USA. Dort werden die Weichen in den wichtigsten gesellschaftlichen Fragen gestellt.
Aus den Nachrichten konnten wir erfahren, dass es sich bei dem ersten Opfer, das sich meldete, um Prof. Christine Blasey Ford handelt. Sie stellte sich der Öffentlichkeit und machte ihre Aussage. Unter dem Hashtag #whyididntreport erhielt sie bei Twitter zahlreichen Zuspruch. Trump jedoch verhöhnte Ford nach ihrer Aussage.

Gabriel Tallent fragt sich, wie viel Gewicht haben diese Stimmen der Opfer?

Letztlich hat Trump eine kurze FBI-Untersuchung angestrengt, die zeitnah abgeschlossen werden musste und auch wurde. Kavanaugh wurde mittlerweile vereidigt und befindet sich seit Oktober 2018 im Amt des Obersten Richters.
Von Prof. Christine Blasey Ford habe ich den Nachrichten nichts mehr entnehmen können.

Wenn ich die beiden Kernaussagen Trumps bezüglich Männer und Frauen lese, befürchte ich beinah, dass wir bald wieder um das Frauenwahlrecht kämpfen müssen.


"Es ist eine beängstigende Zeit für junge Männer in Amerika", sagte Trump laut Medienberichten. Er finde es beunruhigend, dass Menschen "automatisch für schuldig" gehalten würden und ihre Unschuld beweisen müssten, sagte Trump.

Auf die Frage nach einer Botschaft an junge Frauen sagte der Präsident: "Frauen geht es sehr gut." 


In dem neuen Roman von Gabriel Tallent wird es um zwei Kletterer in der Wüste von Südwestamerika in Utah gehen. Auch hier wird die Recherche-Arbeit wieder ganz groß geschrieben. Wir können uns somit auf ein Buch mit vielen detailgetreuen Einzelheiten freuen.

Anna Thalbach ist derzeit in dem Theaterstück Die Glasmenagerie von Tennessee Williams zu sehen. Das Stück wird in verschiedenen Städten zu sehen sein. Neben Anna Thalbach sind auch Katharina und Nellie Thalbach auf der Bühne. Am Montag, dem 11. März 2019 beispielsweise im Theater in Nienburg.


Neben dem Buch ist nun auch das Hörbuch bei mir eingezogen. Ich konnte nicht widerstehen, mir die Geschichte über Turtle von Anna Thalbach erzählen zu lassen. Sie liest wirklich großartig.


Quelle:
Tagesschau - Fall Kavanaugh
Theater Nienburg Veranstaltungen














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