Dienstag, 21. Oktober 2025

Stefan Hertmans - Dius

 



Auf Einladung des Diogenes Verlages lerne ich am heutigen Abend Stefan Hertmans und seinen neuen Roman Dius kennen. Dius ist bereits der fünfte Roman des Autors Stefan Hertmans bei Diogenes. Und, wenn man den Worten Stefan Hertmans Glauben schenken mag, auch sein bisher bester Roman. Bei diesen Worten schießt mir durch den Kopf: "Sollte nicht jeder Autor genau diesen Satz sagen, wenn es um sein jüngstes Werk geht?". Aber Stefan Hertmans scheint es genau so zu meinen. 




In Dius sind so viele Aspekte und Erfahrungen des Lebens eingeflossen, auch seine autobiografischen. 

Die Zeilen, die Stefan Hertmans aus Dius vorträgt, lösen direkt Gedanken und Gefühle aus. Stefan Hertmans erzählt, wovon der Roman handelt. Von Freundschaft, Leidenschaft, Kunst und von Schönheit und Hässlichkeit. Der Roman erzählt von Verletzungen und Narben und von Männern. In der Hauptsache von zwei Männern. Der eine ist Dozent, der andere Student. Beide sind hetero. Anton ist Dozent und ehrlich verblüfft, als sein Student Dius einfach unvermittelt in sein Privatleben platzt. Es entspinnt sich eine leise wachsende Freundschaft. Die Männer entdecken sich jedoch nicht aneinander, sondern mit Hilfe der Frauen, denen sie begegnen. 

Stefan Hertmans erzählt an diesem Abend vor dem Erscheinungstermin von Dius über die Werke, die ihn beeinflusst haben und die Texte, die ihn in seinen Gedanken inspiriert haben. Stefan Hertmans erzählt von Hegels Prinzip der Anerkennung und dass damit der Meister ohne den Lehrling niemals seine Meisterrolle vollständig erfahren kann. Für Stefan Hertmans gibt es auch kein Genie und keine Helden. Für Stefan Hertmans sind es alles Menschen. Und wenn er bei Menschen und Unterscheidungsmerkmalen ist, sinniert er laut darüber, dass Männer diejenigen sind, die hysterisch sind. Nicht etwa die Frauen. Man muss sich die Menschen nur einmal bei einem Fußballspiel ansehen. - Ich muss lachen. "Wie wahr", denke ich und freue mich schon, wenn ich bei einem nächsten Fußballspiel im Stadion stehe und an Stefan Hertmans Worte denke. 

Die Themen in Dius sind vielfältig und ernsthaft und regen zum Nachdenken an. Für die Begleitung beim Lesen gibt es eigens eine Playlist bestehend aus 28 Titeln mit klassischen Werken. Ich lausche schon einmal rein und freue mich auf das Buch. Morgen ist es soweit. Morgen erscheint Dius. Ich bin sehr neugierig auf die Geschichte. 


Bücher von Stefan Hertmans, erschienen bei Diogenes:

Krieg und Terpentin

Die Fremde

Der Aufgang

Die Suche nach der Gegenwart

Dius





Sonntag, 12. Oktober 2025

Die Erfindung der Welt - Thomas Sautner

 

Die Erfindung der Welt
Roman
Picus Verlag Wien
Autor: Thomas Sautner
ISBN 9-783-711-72103-7
408 Seiten






Die Erfindung der Welt erzählt die Geschichte von der Schriftstellerin Aliza Berg. Aliza Berg bekommt ein Angebot, dass sie nicht ausschlagen kann. Ein Angebot, das ziemlich unverfroren ist, übergreifend und attraktiv. Sie bekommt das Angebot von G., den sie nicht einordnen kann, oder vielmehr als einen älteren, gut situierten Herrn einordnet. 




Dieser G. hat ihr einen Brief geschrieben, einen Dank formuliert für ihre schriftstellerische Tätigkeit und ihr mitgeteilt, dass sie die Summe, die jetzt auf ihrem Bankkonto ist, getrost als Anzahlung für ein neues Buch als auch als Dankeschön für ihre bisherige Literatur ansehen darf. Er wünsche sich allerdings, dass sie sich dazu entscheidet, das für ihn wichtige Buch zu schreiben. 

Das Thema allerdings bestimmt dieser ominöse, ältere Herr namens G. Es handelt sich um das Leben selbst und die Bewohner einer ganz bestimmten Region. Um alle Bewohner. Das ist ihm wichtig. Nun, ich halte es wie Aliza Berg: ich würde mich ungern dermaßen "überfahren" lassen. Und ich würde das Schreibangebot annehmen. 

Mir gefällt der Schreibstil von Thomas Sautner. Und mir gefällt eines der beiden Zitate am Anfang des Buches:


"Wir vergessen, dass das, was wir nicht getan haben, wir auch nicht gewesen sind." - Fernando Pessoa - Seite 7


Und Fernando Pessoa hat so, so recht mit dieser Aussage. So viele Dinge nehmen wir uns vor oder denken zumindest darüber nach, dass wir diese Dinge tun würden, wenn wir uns nur trauen würden. Und dann? Dann verbleibt es meistens dabei und der Alltag holt uns ein und dann, ja, dann haben wir sie nicht getan, diese wunderbaren großen, manchmal kleinen Dinge. Und diese ungetanen Dinge sind wir am Ende des Tages auch nicht gewesen. Wir hätten sie sein können, ja. Und taten es doch nicht. 

Der Roman startet für mich also schon sehr nachdenklich ob dieses kleinen Zitats mit großer Wirkung. 

Und auch sonst, wie bereits erwähnt, gefällt mir der Schreibstil von Thomas Sautner über alle Maße. Er wirkt gerade so angemessen für ein Buch, dass sich um das Thema Leben dreht. Und mir gefällt nicht nur der Schreibstil, mir gefällt auch die Wortwahl, mit dem er den Charakteren Tiefe verleiht. So, wie Elli:


"Ich sah sie an. Wie sehr ich sie mochte, dabei kannte ich sie doch noch gar nicht. Vielleicht war es auch, weil sie mir ihr Kindheitsgesicht gezeigt hatte. Wenn mir jemand sein Kindheitsgesicht zeigt, ohne sich dessen bewusst zu sein, bin ich verloren, dann kann er oder sie alles von mir haben. Gegen diese zarte Verletzlichkeit, diese Unmittelbarkeit, diese Wahrheit komme ich nicht an." - Seite 55


Mal im Ernst: So ein Buch muss man einfach lieben. So ein Buch kann alles haben: Aufmerksamkeit - ungeteilt, schonende Behandlung, vorsichtiges Umblättern, umsichtige Ablage, gute Gedanken. Vor allem auch an Aliza, die den Charakteren in der Geschichte dieses Buchs genauso viel Leben einhaucht, wie der Autor Thomas Sautner in dem Buch Die Erfindung der Welt

Mir hat diese Reise mit Aliza sehr gefallen. Die Erfindung der Welt und die Geschichte über das Leben. 

Fazit

Die Erfindung der Welt ist für alle, die nun Lust haben, sich mit Aliza ins Unbekannte zu wagen und sich der Frage des Lebens zu stellen. 


Freitag, 10. Oktober 2025

Enriettas Vermächtnis - Sylvia Madsack

 

Enriettas Vermächtnis
Pendragon Verlag
Autorin: Sylvia Madsack
Roman
ISBN 978-3-865-32749-9
288 Seiten






Enriettas Vermächtnis handelt von der jüngst verstorbenen Enrietta da Silva. Im Alter von 85 Jahren ist sie gestorben und hinterlässt ein Vermächtnis an zwei Personen, die sich erstmalig - nun ja, eigentlich zum zweiten Mal - beim Züricher Advokaten Leuthard begegnen. 





Es handelt sich um Jana Horwarth, die als Enriettas Ziehtochter gilt und um den in der Schweiz gänzlich unbekannten Dr. Emilio Volpe, der aus Argentinien stammt. Da das Erbe nicht an direkte Verwandte geht und mit rund 20 Millionen Schweizer Franken schon ein Vermögen bedeutet, ist Dr. Leuthard sehr daran gelegen, Emilio Volpe näher kennenzulernen. 

In Gesprächen mit der auf Emilio sehr anziehend wirkenden Jana komme ich als Leserin nach und nach auf die Spur, die Emilio mit Enrietta verband. 

Sylvia Madsack hat einen erklärenden und zugleich raffinierten Schreibstil. Mit ihrer Art, die Eindrücke der Charaktere verbildlicht zu erzählen, zieht sie mich mehr und mehr in den Bann der Figuren. Emilio Volpe, der zunächst eher schnöde wirkt, bekommt mehr und mehr Tiefe. Während Jana Hortwarth zunächst sehr zugänglich über ihre Beziehung zu Enrietta berichtet, sich andersherum aber sehr schnell zurückzieht. Dabei lässt Jana von Emilio Berichtetes erst einmal für sich - und damit auch für mich - stehen. 

Mir gefällt die Art und die scheinbare Leichtigkeit des Erzählens und die gleichzeitig genussvolle Ausdrucksweise. So, als könnte ich die Zeilen schmecken, so schreibt Sylvia Madsack ihren Roman.

Enriettas Vermächtnis zu lesen und mir eigene Gedanken zu den Charakteren und ihren zwischenmenschlichen Begegnungen zu machen, war für mich ein Genuss. 

Fazit

Enriettas Vermächtnis ist für alle, die gern außergewöhnlichen Charakteren mit ungewöhnlichen Lebenshintergründen begegnen.