Freitag, 26. Februar 2021

Wenn aktuelle Nachrichten noch einmal die Vergangenheit überschatten - Die Entführung von Jan Phillipp Reemtsma

 

Die aktuellen Nachrichten am 23. Februar 2021 sorgen bei mir für Fassungslosigkeit. Mein erster Gedanke war "das ist doch wohl ein schlechter Scherz". 

Aus ebenfalls aktuellem Anlass lese ich gerade die Bücher um die Familie des Literatur- und Sozialwissenschaftlers Jan Philipp Reemtsma und seines Sohnes Johann Scheerer.




Am 11. Januar 2021 ist das Buch Unheimlich nah von Johann Scheerer im Piper Verlag erschienen.  Unheimlich nah ist bereits das zweite Buch des heute 38jährigen. 

Johann Scheerer erzählt darin, wie es sich für ihn anfühlte, nach der Entführung und Rückkehr seines Vaters, umgeben von Personenschützern, ein weitestgehend normales Leben zu führen. Mit Bandproben und Verabredungen und Schulbesuchen. Unheimlich nah ist in Form eines Romans erschienen, da zwar über tatsächliche Ereignisse und natürlich bekannte Personen gesprochen wird, darüber hinaus die weiteren Charaktere aber fiktiv gehalten werden. 

Sein erstes Buch, Wir sind dann wohl die Angehörigen, erzählt autobiografisch aus der Sicht des damals 13jährigen die Zeit der Entführung seines Vaters Jan Philipp Reemtsma. Wir sind dann wohl die Angehörigen ist am 1. März 2018 als Hardcover und ebenfalls am 11. Januar 2021 als Taschenbuch im Piper Verlag erschienen.

In beiden Büchern verarbeitet Johann Scheerer das Trauma der Entführung seines Vaters.

Jan Philipp Reemtsma selbst hat kurz nach seiner Entführung begonnen, ein Buch über die Zeit seiner Entführung zu schreiben. Darüber, wie sich die Entführung für ihn angefühlt hat, seine Gedanken während der Zeit, die er angekettet im Keller verbringen musste und darüber, seine Familie nicht im Stich lassen zu wollen.  

Sein Buch heißt Im Keller und ist 1997 in der Hamburger Edition und 1998 im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen. 

Jan Philipp Reemtsma wollte so schnell es irgendwie geht sein Leben wieder haben. Deshalb schrieb er nach seiner 33 Tage andauernden Gefangenschaft das Buch Im Keller. Er wollte dieses Zusammengehörigkeitsgefühl abschütteln, diese Intimität, die sich zwischen seinen Entführern und ihm - durch seine Isolation von der Welt - gefühlsmäßig gebildet hat. 

Seinen Entführer, den er während der Zeit im Keller nie zu sehen bekam, nannte er für sich "den Engländer". Erst Wochen nach seiner Entführung wird dieser gefasst und bekommt ein Gesicht: Thomas Drach. 

Während die Opfer der Entführung, Jan Philipp Reemtsma, seine Frau Ann-Kathrin Scheerer und deren gemeinsamer Sohn Johann Scheerer, nach der Entführung ein Leben lang mit den Folgen zurecht kommen müssen, scheint der Haupttäter Thomas Drach weder ein schlechtes Gewissen noch Geld aus dem Entführungsfall zu besitzen. 30 Millionen Mark wurden damals an Lösegeld gezahlt. Ein dagegen geringer Betrag wurde nach seiner Festnahme 1998 beschlagnahmt. Der Millionenbetrag ist bis heute verschwunden. Und das obwohl - oder gerade weil - Thomas Drach 2001 eine 14 Jahre und 6 Monate andauernde Haftstrafe angetreten hatte, die 2013 aber bereits vorzeitig endete.

Thomas Drach, heute 60, soll nun in den Niederlanden als möglicher Täter festgenommen worden sein. Der Vorwurf lautet auf gemeinschaftlichem schweren Raub in drei Fällen, bei denen in den Jahren 2018 und 2019 Überfälle auf Geldtransporter verübt wurden.

Wäre dieses ganze Szenario ein Buch, würde man wohl einige Stellen kürzen und für den Leser als ein Zuviel einordnen. Das Leben aber schreibt seine eigenen Geschichten.  

Meine Rezension zu Jan Philipp Reemtsma - Im Keller ist bereits erschienen und hier zu finden.



Quellen:

Nachrichten am 23.02.2021 im Stern

Piper Verlag - Wir sind dann wohl die Angehörigen

Piper Verlag - Unheimlich nah

Rowohlt Verlag - Im Keller

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