Dienstag, 11. Juli 2023

Die Frau, die es nicht mehr gibt - Maiken Nielsen

 

Die Frau, die es nicht mehr gibt
Roman
Wunderlich - Rowohlt Verlag
Autorin: Maiken Nielsen
448 Seiten
ISBN 978-3-8052-0105-6
erschienen am 13. Juni 2023





Die Frau, die es nicht mehr gibt erzählt die Geschichte zweier junger Frauen, die sich im Lubéron der 1980er Jahre erstmalig begegnen. 







Alexandra Richter, Alex genannt, ist mit der Schule fertig. Ihr Herz schlägt für die Fotografie und so ist sie trampend in Europa unterwegs, um eindrucksvolle, landschaftliche Fotomotive festzuhalten. Auf ihrer Reise entdeckt sie jedoch ihre Leidenschaft für den Ausdruck in den Gesichtern der Menschen. Alex hat einen Blick für bildhafte Momente von Persönlichkeiten, die Geschichten erzählen. 


Cornelia Fett und Maiken Nielsen
in den Herrenhäuser Gärten am 11. Juni 2023       


Im Moment der ersten Begegnung und des Verstehens ihrer Begabung, trifft Alex in Apt auf ein Trio aus Straßenkünstlern. Das Trio besteht aus einem Fackeljongleur mit Wolfsmaske, der sich als hübsche junge Frau namens Mado entpuppt, aus einem weiteren Fackeljongleur namens Fantomas, der immer ein wenig erstaunt aussieht und dem Seiltänzer Loic, der bei seinem Hochseilakt der ersten Begegnung auf dem Seil ganz schön ins Schwanken gerät. 





Die Vier werden schnell zu einer eingeschworenen Gemeinschaft. Es stellt sich heraus, dass alle Vier ihrem Elternhaus den Rücken gekehrt haben. Fernab der Familie wollen sie ihren Platz im Leben finden, ergründen wer sie sind und was sie im Leben wollen. Es geht darum die eigenen Träume zu ergründen und zu verwirklichen. Und es geht darum, Erfahrungen nicht einfach zu verbuchen, sondern mit dem erworbenen Wissen tätig zu werden. 

Maiken Nielsen hat mit dieser liebenswerten Bande vier Charaktere ins Leben gerufen, die unterschiedlicher Herkunft sind und vor ähnlichen Herausforderungen - nämlich der gefühlten Inakzeptanz mindestens eines Familienmitglieds - stehen. Wie soll der Mensch damit umgehen, wenn er noch nicht die notwendigen Erfahrungen gesammelt hat, außer er sammelt sie außerhalb und fernab der Familie? 

Und so lande ich als Leserin in Apt gemeinsam mit allen, die im Verborgenen bleiben wollen, mit allen Künstlern, mit den Hippies, mit den Einheimischen und der wunderbaren Natur und mit Drogen und der unmittelbaren Gefahr durch die in der Nähe stationierten Atomraketen, Militär und sich verbündenden Terroristen. 

Diese Mischung aus "ich bin hier geboren", ich gehöre nirgends anders hin" und der Gefahr sorgt für einen Zusammenhalt unter all den Fremden, die in Apt zusammenkommen, so dass ich mich ob des Zusammenhalts wie in einer Großfamilie bei ihnen zu Hause fühle. 


"Je suis heureux que tu sois là", stand da. Ich bin glücklich, dass du da bist. - Seite 44


Maiken Nielsen hat eine ganz wunderbare Art die Geschichte zu erzählen. Klug und bildhaft, bildungssprachlich aber nie belehrend. Es ist mir ein wahres Fest die vier jungen Erwachsenen zu begleiten und ihre Entwicklung zu verfolgen. Die Arbeit an der Erfüllung der Träume; das Zurückstecken der eigenen Wünsche zugunsten der Freundschaft und der politischen Entwicklung; das sich treiben lassen, weil es Teil des Vorhabens ist und weil es Teil der eigenen Schwäche ist. 


Mado sah sie unbewegt an. "Jetzt hör mir mal zu: Das Geheimnis der Freiheit liegt in der Bildung, während das Geheimnis der Tyrannei darin besteht, die Menschen dumm zu halten. Hat schon Robespierre gesagt!" "Wurde ihm für diese Aussage nicht der Kopf abgeschlagen?" "Netter Versuch, Alex." - Seite 63


Die Geschichte ist so malerisch erzählt, wie die Umgebung des Lubéron auf mich Eindruck macht. Gegen die aufkommende Romantik machen sich die Umstände der Gegenwart der 1980er Jahre und die Umstände der Wiederbegegnung der beiden Frauen rund dreißig Jahre nach ihrem ersten Treffen auf.

Ein Prozess, der schmerzhafte Erfahrungen und gelebtes Leben zusammenführt und von Liebe und Freundschaft zeugt. 


"Vielleicht ist es der unbändige Wunsch zu leben. An unsere Grenzen zu stoßen und dann darüber hinauszugehen." - Seite 429


Am liebsten würde ich den Roman gleich noch einmal lesen.


Fazit

Die Frau, die es nicht mehr gibt ist für alle, die sich in den Genuss einer fiktiven Geschichte mit wahren geschichtlichen Hintergründen mit den jungen Erwachsenen in die Provence und nach Apt der 1980er Jahre begeben wollen.


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